Innerstädtisch und außerorts auf sicheren Straßen im Einsatz

07. Juni 2018 Infrastruktur
Neben fahrzeugspezifischen Systemen spielt zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auch die Infrastruktur eine ganz entscheidende Rolle. Der Ausbau respektive Unterhalt von Straßen ist dabei nur einer von vielen Aspekten. Auch neue Mobilitätskonzepte wie Lang-Lkw, Oberleitungssysteme sowie City-Logistik mit elektrischen Antrieben oder Lastenfahrrädern gilt es in Zukunft verstärkt zu berücksichtigen.
Das bisherige und auch weiterhin prognostiziert steigende Gütertransportaufkommen auf der Straße bei gleichzeitiger Zunahme des Gesamtverkehrsaufkommens, ökologische Aspekte, Limitationen auf dem Arbeitsmarkt sowie nicht zuletzt auch Fragen der Sicherheit machen eine weitere Optimierung der Nutzung bestehender Infrastrukturen erforderlich. Dazu gehört ebenso die bessere Vernetzung der unterschiedlichen Verkehrsträger. Aber auch fahrzeugseitig sind neue Konzepte notwendig. Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs, Oberleitungssysteme wie etwa der eHighway, verbesserte Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation bis hin zum Platooning, die Zulassung längerer Fahrzeugkombinationen, höhere zulässige Gesamtmassen sowie Optimierungen im kombinierten Verkehr und bei der Fahrzeugverladung auf die Eisenbahn sind dabei nur einige Beispiele, die diskutiert oder bereits erprobt werden.
Änderungen in der Fahrzeugtechnik oder im Zulassungsbereich müssen dabei aber immer vor dem Hintergrund betrachtet werden, ob die Infrastruktur überhaupt für solche Konzepte ausgelegt ist. Mehr Masse bedeutet höhere Belastungen für Straßen und insbesondere Brückenbauwerke, Platooning- Verbände leiten bei Bremsmanövern auf Brücken enorme Energien ein und mehr kombinierter Verkehr muss von den Umschlagbahnhöfen und den Eisenbahngesellschaften anforderungsgerecht und wettbewerbsfähig verarbeitet werden.
Es stellen sich aber auch neue sicherheitstechnische Fragen. Welche Risiken resultieren durch am Fahrbahnrand errichtete Oberleitungspfosten für die Insassen von Fahrzeugen, die bei einem Unfall von der Fahrbahn abkommen? Wo liegen die Grenzen bestehender Schutzeinrichtungen wie Schutzplanken oder Betongleitwände beim Anprall schwererer, längerer oder schnellerer Nutzfahrzeuge? Welche Folgen hat das Mehr an Ladung einer längeren Fahrzeugkombination, wenn es in einem Tunnel oder unter einer Brücke zum Brand kommt?

Umfangreiche Studien zu längeren Nutzfahrzeugkombinationen

Gerade die Thematik schwererer oder längerer Fahrzeugkombinationen führt in vielen Ländern der Welt zu kontrovers geführten Diskussionen. Bereits 1969 wurden in der kanadischen Provinz Alberta sogenannte Longer Combination Vehicles (LCV) zugelassen. Als LCV gelten Fahrzeuge mit einer Länge von über 25 Metern. Die maximale Länge beträgt 41 Meter bei einer in Kanada generell geltenden zulässigen Gesamtmasse von etwa 64 Tonnen. Inzwischen sind LCV in mehreren Provinzen zugelassen.
Mitte der 1980er-Jahre wurden in den USA erste Studien zu längeren Nutzfahrzeugkombinationen durchgeführt, in den Jahren danach folgten weitere. In einigen Bundesstaaten sind LCV heute zugelassen. Vorgaben werden bei der Länge der Ladungsträger und den Kombinationsmöglichkeiten gemacht. Zulässig sind zwei Sattelauflieger, Sattelauflieger mit Anhänger und drei Anhänger. Zuzüglich Deichsel und Sattelzugmaschine ergeben sich so bis zu 38 Meter Gesamtlänge bei bis zu 62,5 Tonnen Gesamtmasse.
Auf einigen australischen Fernstrecken kommen sogenannte Road Trains mit einer Gesamtlänge von bis zu 53,5 Metern und 132 Tonnen Gesamtmasse (ohne Sattelzugmaschine) zum Einsatz.
Auch in Europa ist das Bild sehr uneinheitlich. Die maximale Standardlänge liegt bei 18,75 Metern. In einigen Ländern sind, zumeist streckenbezogen, Lang-Lkw-Kombinationen bis zu einer Länge von 25,25 Metern zugelassen. In Schweden dürfen Kombinationen bis zu einer Länge von 32,5 Metern verwendet werden. Auch bei den zulässigen Gesamtmassen von 40 bis zu 90 Tonnen gelten sehr unterschiedliche Regelungen.
Mit die ausführlichsten Forschungsarbeiten zum Thema längerer Lkw-Kombinationen wurden durch die deutsche Bundesregierung unter Federführung des Bundesverkehrsministeriums vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2016 durchgeführt. Wissenschaftlich begleitet hat den Feldversuch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Die Untersuchungen umfassten die Bereiche Fahrzeugtechnik und Umwelt, Straßenbeanspruchung, Tunnelsicherheit, verkehrstechnische Fragestellungen, psychologische Aspekte sowie Unfälle und andere besondere Ereignisse.
Der Feldversuch stellt damit die wohl umfassendste Forschungsarbeit zu diesem Thema dar. Er ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie von unabhängiger Seite Erkenntnisse zu „neuen“ Konzepten gewonnen werden können. Da es zu keinen nennenswerten Problemen kam, wurde entschieden, den Betrieb von Lang-Lkw mit maximal 25,25 Meter Länge und unverändert maximal 44 Tonnen Zuggesamtmasse weiterhin auf bestimmten Streckenabschnitten zu genehmigen. Bedingungen sind dabei unter anderem ein hohes Sicherheitsniveau der beteiligten Fahrzeuge und die Möglichkeiten für einen Einsatz im kombinierten Verkehr.