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07. Juni 2018 Faktor Mensch
Wie bei anderen Arten der Verkehrsteilnahme spielt auch bei Straßenverkehrsunfällen mit Beteiligung von Güterkraftfahrzeugen der Mensch hinterm Lenkrad eine ganz zentrale Rolle. Fahrerassistenzsysteme haben grundsätzlich das Potenzial, Unfälle zu verhindern. Dafür müssen die Fahrer aber genau instruiert sein, was die Systeme können und was nicht. Überhaupt kommt der Berufskraftfahrerausbildung angesichts der zahlreichen Anforderungen, Belastungen und Gefährdungen große Bedeutung zu.
Ob am Steuer eines Lkw, im Führerstand einer Lokomotive, im Cockpit eines Transportflugzeugs oder auf der Brücke eines Containerschiffs: Betrachtet man den Faktor Mensch im Güterverkehr, spielt die Zuverlässigkeit eine zentrale Rolle. In Fachkreisen spricht man von Handlungszuverlässigkeit beim Zusammenspiel von Mensch und Maschine, in diesem Fall dem Transportmittel. Sie ist abhängig von der Gestaltung des technischen Systems und den Leistungsvoraussetzungen des Menschen.
Grundsätzlich ist die Handlungszuverlässigkeit dann besonders hoch, wenn besagtes System optimal an die Fähigkeiten des Menschen angepasst ist. Passieren Fehler, werden sie als Folge einer Inkompatibilität von Individuum und der Aufgabe „Führen des Transportmittels“ angesehen. Das Problem: Menschliches Fehlverhalten kann im Straßenverkehr fatale Folgen haben. Daher ist es wichtig, die Handlungszuverlässigkeit zu erhalten oder gegebenenfalls zu erhöhen. Und dafür muss man die sie beeinflussenden Faktoren kennen beziehungsweise in Erfahrung bringen.
Beim Führen eines Kraftfahrzeugs sind dies bezogen auf den Faktor Mensch vor allem die erworbenen Kompetenzen im Umgang mit dem System Fahrzeug (Befähigung), die geistigen und körperlichen Voraussetzungen zum Führen des Fahrzeugs (Eignung) und auch der jeweils aktuelle körperliche und geistige Zustand (Fahrtüchtigkeit). Mit zunehmendem Automatisierungsgrad des Lkw-Cockpits werden die Anforderungen an die dann notwendige Befähigung und Eignung sowie gegebenenfalls auch die Fahrtauglichkeit zu modifizieren oder sogar ganz neu zu bestimmen sein.

Ausbildung der Berufskraftfahrer

Angesichts des steigenden Güterverkehrs auf der Straße ist der Bedarf an Berufskraftfahrern gestiegen. Vor diesem Hintergrund rücken Fragen der Sicherheit im Lkw- und Busverkehr in den Vordergrund. Dass gerade die Berufskraftfahrer besonderen Anforderungen unterliegen, ergibt sich zum einen aus ihrer Fahraufgabe. Häufiger als Nutzer privater Fahrzeuge müssen sich Berufskraftfahrer erschwerten Bedingungen stellen – etwa dem Befahren unbekannter Strecken oder dem Fahren bei schwierigen Straßen- und Witterungsbedingungen. Die technische Ausstattung im Güter- und Personenbeförderungsverkehr ist meist auf höherem Niveau, woraus sich zum einen ein deutlicher Gewinn an Verkehrssicherheit ergibt, andererseits aber auch erhöhte Anforderungen an den Lkw-Lenker gestellt werden. Dieser muss über die Funktionsweise und den Nutzen von Fahrerassistenzsystemen auch fundiert informiert sein, sodass er im Fall eines technischen Versagens zuverlässig reagieren kann. Des Weiteren ergeben sich für den Berufskraftfahrer – beispielsweise nach §§ 407 ff. Handelsgesetzbuch in Deutschland – auch beförderungsrechtliche Vorgaben wie etwa eine ordnungsgemäße Ladungssicherung beziehungsweise nach dem Gefahrgutrecht Vorschriften für den Transport von gefährlichen Gütern. Im internationalen Fernverkehr sind Berufskraftfahrer außerdem mit zahlreichen länderspezifischen Verkehrsregeln und Besonderheiten konfrontiert, mit denen sie angemessen umgehen müssen. Hinzu kommen emotional-psychische Belastungen wie ständiger Zeitdruck und die Distanz zur Familie. Auch körperliche Beanspruchung durch lange Einsatzzeiten oder eigenhändiges Be- und Entladen stellt eine besondere Herausforderung im Güterverkehr dar.
Als Hauptursache für Unfälle gilt nach wie vor ein Fehlverhalten der Fahrzeugführer. Zur Steigerung der Verkehrssicherheit, aber auch für die Erhaltung der Gesundheit ist eine nachhaltige Qualifikation von Berufskraftfahrern notwendig. In Deutschland besteht die Möglichkeit einer staatlich anerkannten Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Im Jahr 2016 wurden 2.964 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. In den letzten drei Jahren haben nach Angaben der Industrie- und Handelskammern rund 2.000 Auszubildende ihre Berufskraftfahrerausbildung erfolgreich abgeschlossen, wobei zwischen 2015 und 2016 ein Rückgang um mehr als 100 Auszubildende zu verzeichnen war.
Auch in anderen europäischen Ländern gibt es Ausbildungsgänge, die dem deutschen Berufskraftfahrer ähnlich sind. In einem Bericht der BASt aus dem Jahr 2008 wurden die Berufsausbildungen vergleichend gegenübergestellt (Tabelle Ausbildungsgänge zum Berufskraftfahrer im Ländervergleich).
Auf europäischer Ebene definiert die Richtlinie 2003/59/EG (EU-Berufskraftfahrerrichtlinie) vom 3. Juli 2003 Mindestanforderungen an das Fahrpersonal. In der Richtlinie ist Folgendes zur Begründung angeführt:
„Um es den Kraftfahrern zu ermöglichen, sich auf die neuen Anforderungen aufgrund der Weiterentwicklung des Kraftverkehrsmarktes einzustellen, sollten die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften auf alle Kraftfahrer ausgedehnt werden, und zwar unabhängig davon, ob sie ihren Beruf als Selbstständige oder als abhängig Beschäftigte, im gewerblichen Güterverkehr oder im Werkverkehr ausüben. Ziel der neuen gemeinschaftlichen Vorschriften ist die Qualitätssicherung für den Beruf des Kraftfahrers in Form einer Qualifikation sowohl für die Aufnahme als auch für die Ausübung des Berufs.“
Die Straßenverkehrssicherheit soll entweder durch eine Grundqualifikation über 280 Stunden oder durch Ableistung einer vierstündigen Prüfung zu theoretischen Inhalten und zwei Stunden Praxis sowie regelmäßige Weiterbildung über 35 Stunden im Abstand von fünf Jahren verbessert werden. Die obligatorische Grundqualifikation betrifft Fahrer im Alter von 18 bis 21 Jahren mit einer Fahrerlaubnis der Klassen C1, C1E, C, CE, D, DE, D1 und D1E. Für 18-jährige Berufsanfänger im Güterkraftverkehr mit der Fahrerlaubnis der Klasse C1 oder C1E sowie 21-Jährige mit der Fahrerlaubnis der Klasse C oder CE beziehungsweise D, DE, D1 oder D1E kann eine beschleunigte Grundqualifikation von 140 Stunden Schulung mit abschließender Prüfung erfolgen.
Als Mindestanforderungen für die Grundqualifikation und Weiterbildung wurde seitens der EU definiert:
  • Sicherheitsregeln beim Fahren und Halten,
  • Entwicklung eines defensiven Fahrstils, Voraussehen von Gefahren und Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer sowie
  • rationeller Kraftstoffverbrauch.
Die Durchführung der Qualifikations- und Weiterbildungsmaßnahmen obliegt den von den zuständigen Behörden zugelassenen Ausbildungsstätten und wird mit entsprechender Prüfung abgeschlossen.

Besondere Anforderungen an Berufskraftfahrer

Im Laufe der vergangenen Jahre haben sich die Anforderungen an einen Berufskraftfahrer stark verändert. Früher bestanden die Aufgaben aus Fahren und Laden. Dass Berufskraftfahrer im Güterverkehr heute noch diverse andere Tätigkeiten erfüllen müssen, wurde von Frühauf und Kollegen (2008) dargestellt (Tabelle Anforderungen für Lkw-Fahrer). Dabei unterscheiden die Autoren fahrerische von nicht fahrerischen Tätigkeiten.
Darüber hinaus sind diverse andere Kenntnisse sowie sogenannte „Soft Skills“ erforderlich, weil in dem Umgang mit Kollegen und Kunden ein freundliches Auftreten und Kompromissbereitschaft erwartet wird.
Aufgrund der hohen Anforderungen an Berufskraftfahrer im Güterverkehr gelten in Deutschland – neben der Grundqualifikation – noch weitere Bestimmungen, um eine entsprechende Fahrerlaubnis erlangen zu können. Gemäß Fahrerlaubnisverordnung (FeV) müssen bestimmte körperliche Voraussetzungen und Anforderungen an das Sehvermögen erfüllt sein. Bei Fahrern, die beruflich Personen befördern, wird zudem die psychophysische Leistungsfähigkeit (Belastbarkeit, Orientierungsleistung, Konzentration, Aufmerksamkeitsleistung, Reaktionsfähigkeit) überprüft.
Im Kapitel 2.5 „Anforderungen an die psychische Leistungsfähigkeit“ der „Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung“ wurden für diese Dimensionen bereits im Jahr 2000 die bis heute geltenden Grenzwerte von PR = 16 (Gruppe 1) beziehungsweise PR = 33 (Gruppe 2) festgelegt. PR ist in diesem Fall die Abkürzung für Prozentrang. Dieses statistische Maß gibt die relative Stellung an, die man bezüglich eines bestimmten Merkmals in einer Vergleichs- oder Bezugsgruppe einnimmt.
Im Kommentar zu den „Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung“ ist dazu ausgeführt, dass diese Festlegungen „unter Berücksichtigung empirischer Erfahrungswerte“ erfolgt seien. In Bezug auf die Entwicklungen im Straßenverkehr wie Erfüllung weiterer Aufgaben unter immer höherem Zeitdruck, höherer Verkehrsdichte und Automatisierung ist zu fragen, ob sie auch unter diesen neuen Bedingungen noch gültig sind und wie erreicht werden kann, dass die menschliche Zuverlässigkeit im System Mensch-Fahrzeug nachhaltig auf dem erforderlichen hohen Niveau gehalten werden kann.