Reifen ernst nehmen

07. Juni 2018 Fahrzeugtechnik
Ein wichtiger Aspekt bei der Verkehrssicherheit von Nutzfahrzeugen ist die Auswahl, die regelmäßige Wartung und Pflege der Bereifung. Platzende Reifen, insbesondere an der Vorderachse von Sattelzugmaschinen und Lkw, können zu einer schlagartig eintretenden Instabilität und damit zu Schleuderbewegungen und schwersten Unfällen führen. Auch können nachfolgende Verkehrsteilnehmer durch abgelöste Reifenteile und -reste auf der Fahrbahn gefährdet werden.
Für die Funktionsfähigkeit des Reifens stellt ein korrekter Fülldruck die Grundvoraussetzung dar. Die statistische Auswertung von Schäden an Nutzfahrzeugreifen durch DEKRA zeigt seit Jahrzehnten, dass ein Großteil der Reifenausfälle auf Wartungsmängel – also Minderdruck- oder Überlastbetrieb – zurückzuführen ist. Auch unter den nicht eindeutig feststellbaren Ursachen findet sich ein hoher Anteil an „Luftdrucksünden“. Nicht eindeutig feststellbar bedeutet dabei, dass sich in diesen Fällen mehrere Einflussfaktoren überlagern, die zu einem Reifendefekt geführt haben.
Doch auch Vorschädigungen des Reifens im Laufflächenbereich, die nicht zu einem unmittelbaren Fülldruckverlust führen, stellen ein Problem dar: Feuchtigkeit dringt über den Beschädigungskanal bis auf den Stahlgürtel ein, wodurch dieser korrodiert und die Haftung zwischen Stahlcord und Gummi verringert wird. Dadurch kann es passieren, dass sich der Protektor mit Teilen des Gürtels schlagartig vom Reifenunterbau ablöst und der Reifen platzt. Fahrer und Werkstattpersonal sind daher gehalten, sowohl regelmäßig den Fülldruck sämtlicher Reifen zu kontrollieren und gegebenenfalls einzustellen, als auch die Reifen auf Schäden zu untersuchen. Durch den Einsatz von Reifendruckkontrollsystemen (RDKS) kann insbesondere schleichender Fülldruckverlust frühzeitig erkannt werden.
Bei der Auswahl der Bereifung von Fahrzeugen sind die Transportaufgaben zu berücksichtigen. Niederquerschnittsreifen bieten zwar den Vorteil, ein höheres Transportvolumen zu ermöglichen, jedoch haben diese Dimensionen Nachteile bezüglich der Tragfähigkeit. So trägt eine Vorderachse eines Fahrzeugs mit der Dimension 385/65 R 22,5 SZM 3,3 Tonnen beziehungsweise fast 50 Prozent mehr als ein 295/60 R 22,5. Eine mit Niederquerschnittsreifen der Dimension 315/45 R 22,5 ausgerüstete Antriebsachse (in Zwillingsbereifung) trägt mit 11,6 Tonnen deutlich weniger als 315/70 R 22,5 mit 13,4 Tonnen. Und ein dreiachsiger Trailer mit der Bereifung 445/45 R 19,5 trägt im Gegensatz zu einer Ausstattung mit 385/65 R 22,5 rund drei Tonnen weniger. Bei falscher Auswahl respektive Konfiguration des Fahrzeugs kann es daher auch bei korrektem Fülldruck zu entsprechenden Schäden kommen.
Eine weitere Herausforderung kann die Montage von Niederquerschnittsreifen – insbesondere in Verbindung mit RDKS – darstellen. Für eine fachgerechte, beschädigungsfreie Montage ist gut ausgebildetes Personal unabdingbar. Die Fachverbände BRV (Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseurhandwerk) und wdk (Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie) haben daher gemeinsam unter Mitarbeit von DEKRA eine entsprechende Montageanleitung veröffentlicht.