Verkehrserziehung ist die beste Prävention

01. Juni 2017 Faktor Mensch
Überhaupt ist kontinuierliche Verkehrserziehung das Gebot der Stunde – und das ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt bis ans Lebensende. Nach diesem Motto hat zum Beispiel das französische Ministère des Transports/Directorat Sécurité Routière schon Ende 1997 das „Continuum éducatif“ entwickelt. Verkehrserziehung wird dabei als kontinuierlicher Prozess gesehen, der sich übers Leben in der Familie, die Schulzeit, den Führerscheinerwerb, das gesamte Berufsleben und die Zeit danach erstreckt. Da die meisten Unfälle auf ein unangemessenes Verhalten zurückzuführen sind, soll die Verkehrserziehung individuelle Verhaltensaspekte auf allen Ausbildungs- und Altersebenen berücksichtigen.
Gerade für die jüngeren Verkehrsteilnehmer gibt es in zahlreichen Mitgliedsstaaten der EU bereits seit Jahren die unterschiedlichsten Programme. Nur zwei Beispiele: Fest verankert im Lehrplan der Schulen in Belgien sind zum Beispiel „De Grote Verkeerstoets“ und „Het Grote Fietsexamen“ mit speziellen Tests zum Verhalten im Straßenverkehr und Fahrradprüfungen für Kinder in einem Alter von bis zu zwölf Jahren. Die Resonanz ist groß: 2016 haben an beiden Programmen landesweit knapp 45.000 Schülerinnen und Schüler teilgenommen.
Im weitesten Sinn fällt in den Bereich der Verkehrserziehung auch die in Belgien von der flämischen Regierung 2012 ins Leben gerufene, an Transportunternehmen und Lkw-Fahrer adressierte „Truckveilig Charter“. Wer diese Charta unterzeichnet, verpflichtet sich jährlich zur Umsetzung von mindestens sieben selbstgewählten Aktionspunkten hinsichtlich Verkehrssicherheit. Die Palette reicht vom vorausschauenden Fahren mit angepasster Geschwindigkeit und ausreichendem Abstand über die korrekte Spiegeleinstellung bis hin zur Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten sowie der Teilnahme an Schulungen, um nur ein paar Aspekte zu erwähnen. Wer nach einigen Monaten nachweisen kann, dass er diesen Verpflichtungen tatsächlich nachgekommen ist, erhält das „Truckveilig Charter“-Label. Erklärtes Ziel ist, auf diese Weise das Sicherheitsbewusstsein in der Branche zu erhöhen.
Ein Beispiel aus Brasilien ist die „Maio Amarelo“- Kampagne („gelber Mai“) des brasilianischen Observatório Nacional para Segurança no Trânsito (nationale Behörde für Verkehrssicherheit) zur Vermeidung von Verkehrsunfällen. Der Name der an alle Verkehrsteilnehmer gerichteten Kampagne verweist auf den Monat, in dem die Vereinten Nationen 2011 das „Jahrzehnt der Verkehrssicherheit“ ausgerufen haben. Im Mai wird außerdem jedes Jahr die weltweite Woche für Fußgängersicherheitbegangen. Als Signalfarbe steht Gelb symbolisch für die Warnschilder im Straßenverkehr.

Fahrertrainings sensibilisieren für besondere Gefahrensituationen

Ebenfalls ein wichtiges Element zu der Erhöhung der Verkehrssicherheit sind Fahrsicherheitstrainings. Denn ob Fahranfänger, Berufskraftfahrer oder Senioren, ob unterwegs mit dem Pkw, dem Lkw oder dem Motorrad: Brenzlige Situationen im Straßenverkehr kennt wohl fast jeder Fahrzeugführer. Irgendwie geht es meistens gut, aber so richtig sicher fühlen sich wohl nur die wenigsten, wenn ihr Gefährt beispielsweise auf regennasser Fahrbahn ins Schleudern gerät. Kommt es zum Crash, steht nicht selten das eigene Leben beziehungsweise die Gesundheit beteiligter Verkehrsteilnehmer auf dem Spiel. Nicht zu vergessen die durch einen Unfall entstehenden Kosten – zum Beispiel durch Reparatur von Schäden am Fahrzeug, Selbstbeteiligung und steigende Versicherungsprämien.
Klar: Ganz ausschließen lässt sich ein solches Szenario auch für noch so geübte Autofahrer nicht. Aber in Fahrsicherheitstrainings kann man lernen, wie man entsprechende Gefahrensituationen erkennt sowie schnell und richtig reagiert. In Deutschland unterstützen viele Berufsgenossenschaften respektive Unfallkassen solche Fahrsicherheitstrainings finanziell, wenn bestimmte Vorgaben erfüllt sind. Ebenso können Unternehmen des Güterkraftverkehrs mit mautpflichtigen Fahrzeugen über 7,5 Tonnen für definierte Weiterbildungsmaßnahmen Jahr für Jahr entsprechende Förderanträge beim Bundesamt für Güterverkehr (BAG) stellen. Letzteres gilt auch für die nach dem EU-weit geltenden Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz vorgeschriebenen Weiterbildungskurse.
Sinnvollerweise gliedern sich Fahrsicherheitstrainings in einen theoretischen und einen praktischen Teil. Bevor die Teilnehmer unter Anleitung erfahrener Instruktoren gefahrlos das fahrdynamische Verhalten ihres Fahrzeugs und ihre persönlichen Grenzen ausloten, geht es zunächst einmal darum, ein wenig in die Fahrphysik und mögliche Unfallgefahren einzusteigen. Also beispielsweise aufzuzeigen, wie Geschwindigkeit und Bremsweg, technischer Fahrzeugzustand und Fahrbahnbeschaffenheit zusammenhängen. Oder zu erläutern, wie das Fahrzeug beim Durchfahren einer Kurve reagieren kann und welche Ursachen zum Über- beziehungsweise Untersteuern führen. Weitere Inhalte des theoretischen Teils sind in der Regel auch die Einrichtungen der aktiven und passiven Sicherheit im und am Fahrzeug.
Danach wird’s ernst. Und so manchem Teilnehmer rutscht erst einmal das Herz in die Hose, wenn es heißt, auf einer speziell präparierten glitschigen Fläche voll in die Eisen zu steigen und das sich gegebenenfalls mehrfach um die eigene Achse drehende Fahrzeug in den Griff zu bekommen. Manch einer dürfte auch überrascht sein, wie lang der Bremsweg bei einer Geschwindigkeit von lediglich 50 Stundenkilometern schon auf trockener Strecke ist. Oder wie schwierig es ist, beim Ausweichen vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis die Kontrolle über das Fahrzeug zu behalten.
Doch genau diese präventiven Übungen sind es, die im Ernstfall Leben retten können. Man lernt die Folgen kennen, die aus Fehleinschätzungen von Verkehrssituationen und Fahrzeugverhalten resultieren können. Zugleich wird der Blick für unvorhersehbare Risikosituationen geschärft.