Verpflichtende Erste-Hilfe-Maßnahmen

01. Juni 2017 Infrastruktur
Je besser und schneller die verschiedenen Stufen der Versorgung und Hilfeleistung ineinander greifen, desto besser sind die Überlebens- und Heilungschancen der verunglückten Verkehrsteilnehmer. Die wichtigste Grundlage ist dabei die Erstversorgung der Verletzten durch zufällig anwesende Personen beziehungsweise Laienhelfer, was unverletzte Unfallbeteiligte einschließt. Wird frühzeitig qualifizierte Erste Hilfe geleistet, wirkt das einer Verschlechterung des Patientenzustands entgegen. Laut einer Studie der Universität Würzburg ließe sich die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland um zehn Prozent verringern, wenn nach dem Unfallgeschehen umgehend Erste Hilfe geleistet würde.
Da jeder zu jeder Zeit in die Situation kommen kann, Erste Hilfe leisten zu müssen, kommt einer guten Ausbildung möglichst großer Teile der Bevölkerung eine enorme Bedeutung zu. Hier gibt es weltweit unterschiedliche Ansätze, die diesen Aspekt aufgreifen. In einigen Ländern wird Erste Hilfe bereits in der Schule gelehrt, in anderen Ländern ist eine Erste-Hilfe-Schulung zwingender Bestandteil der Führerscheinausbildung. Zudem müssen Unternehmen ab einer bestimmten Größe Ersthelfer ausbilden und für eine regelmäßige Auffrischung der Kenntnisse sorgen. Auch wenn sich der Umfang der geforderten Ausbildungen unterscheidet und in vielen Fällen keinerlei Auffrischung gefordert wird, findet dennoch eine Sensibilisierung statt; die Hemmschwelle zum Eingreifen wird gesenkt.
Sehr unterschiedlich wird mit der Verpflichtung zum Leisten Erster Hilfe umgegangen. So besteht zum Beispiel in Argentinien, Dänemark, Deutschland, Frankreich oder Serbien eine Pflicht zur Hilfeleistung. Wird hier eine erforderliche und zumutbare Hilfeleistung unterlassen, drohen Haftstrafen. In Ländern wie etwa den Staaten des Commonwealths oder den USA und großen Teilen Kanadas, deren Rechtssystem auf dem Gewohnheitsrecht basiert, fehlen zumeist derart klare Vorgaben. Allerdings beinhaltet das „Common Law“ in aller Regel das „Good Samaritan Law“, auf welchem die Pflicht zur Hilfeleistung begründet wird.
Neben der Pflicht zum Helfen kommt auch dem Schutz der Ersthelfer eine besondere Bedeutung zu. Hier gilt das deutsche System zu Recht als Best Practice. Solange der Ersthelfer nach bestem Wissen und Gewissen hilft, ist er gesetzlich vor Ansprüchen aller Art geschützt. Dies gilt auch dann, wenn durch die Maßnahmen – unbeabsichtigt oder im Rahmen der Hilfsmaßnahmen unvermeidbar – Schäden verursacht werden. Zudem ist der Ersthelfer während der Hilfeleistung durch die deutsche gesetzliche Unfallversicherung gegen alle verursachten oder selbst erlittenen körperlichen und materiellen Schäden versichert. Welche negativen Folgen der fehlende Schutz des Ersthelfers zur Folge haben kann, wird an einem Beispiel aus China deutlich. Im Jahr 2006 wurde ein Ersthelfer von der verunglückten Person verklagt, die medizinischen Behandlungskosten der aus dem von ihm verursachten Sturz resultierenden Verletzungen zu tragen. Das Gericht entschied trotz fehlender Beweise im Sinne der Patientin. Die Begründung lautete, dass keiner einem anderen hilft, wenn man sich an dessen Notlage nicht schuldig fühlt. Entsprechend ist die Hilfsbereitschaft in China drastisch gesunken.

Schnelle Rettung eingeklemmter Fahrzeuginsassen

Gerade bei Verkehrsunfällen kommt der Rettung eingeschlossener oder eingeklemmter Fahrzeuginsassen durch die Feuerwehren eine besondere Bedeutung zu. Diese stehen dabei allerdings vor einer Summe an Herausforderungen. Durch stabilere Materialien zur Erhöhung der Insassensicherheit benötigen die Feuerwehren aktuelles Rettungsgerät, um gewohnt schnelle Hilfe leisten zu können. In Zeiten knapper Kassen kann nicht jede Feuerwehr im notwendigen Maße Schritt halten. Durch die immer sicherer werdenden Fahrzeuge sinkt zudem die Zahl der Unfälle mit Einklemmsituationen. Dieser für die Verkehrssicherheit wertvolle Aspekt führt dazu, dass bei den Feuerwehren immer weniger Einsatzerfahrung und Routine bei der Insassenrettung besteht.
Auch praxisnahes Üben fällt schwer, da meist nur alte Schrottfahrzeuge zur Verfügung stehen, die noch keine entsprechenden Verstärkungen enthalten. Zudem sind die Übungsfahrzeuge in aller Regel unbeschädigt oder nur leicht beschädigt, was im Vergleich zum Rettungseinsatz zu relevanten Unterschieden führen kann. Hinzu kommt eine Vielzahl neuer Fahrzeugkonzepte mit alternativen Antrieben oder alternativen Kraftstoffen. Daraus resultiert enormer Schulungsaufwand, der im erforderlichen Maß von den meist ehrenamtlich tätigen Einsatzkräften nicht im Entferntesten geleistet werden kann. Auch bei Berufsfeuerwehrleuten kommen fahrzeugspezifische Themen vor dem Hintergrund des auch ansonsten stets umfangreicher und komplexer werdenden Aufgabenspektrums oft zu kurz.
Investition in die Forschung für den Rettungseinsatz und die Bereitstellung von Schulungsmaterialien ist daher ein wichtiger Aspekt der Verkehrssicherheitsarbeit. Die DEKRA Unfallforschung führt aktuell in Zusammenarbeit mit der Universitätsmedizin Göttingen und der Firma Weber Rescue eine Studie zu Rettungsmethoden durch. An mit Crashtests bei Anprallgeschwindigkeiten von 85 km/h identisch schwer deformierten modernen Pkw werden unterschiedliche Rettungsmethoden mehrfach ausprobiert. Die aufgetretenen Schwierigkeiten und die positiven Aspekte können so dargestellt und die Methoden miteinander verglichen werden. So werden taktische Entscheidungshilfen geschaffen und Optimierungspotenziale aufgezeigt. Gleiches gilt für den Bereich der alternativen Antriebssysteme. Wie lassen sich die Batterien von Elektrofahrzeugen löschen? Wo bestehen die Risiken, was ist zu beachten? Auch hier hat die DEKRA Unfallforschung mit einer Versuchsreihe zur Aufklärung beigetragen. Die US-amerikanische NFPA Fire Protection Research Foundation hat im gleichen Bereich geforscht und einen kompletten, kostenlosen Trainingskurs für Einsatzkräfte entwickelt. So wird zum Beispiel der Einsatz an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben oder alternativen Kraftstoffen geschult. Unterm Strich sind auch solche Maßnahmen ein wichtiger Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit.