Crashs zur Optimierung der Einsatztaktiken von Feuerwehren bei schweren Unfällen

22. Feb. 2017 News & Aktionen
Die Sicherheit von Pkw hat in den vergangenen Jahren rasante Fortschritte gemacht. Optimierungen und Weiterentwicklungen beim Insassenschutz haben maßgeblich dazu beigetragen, das Verletzungs- und Tötungsrisiko deutlich zu senken. Zum Verklemmen von Türen oder Einklemmen von Insassen kommt es heute bei modernen Pkw in der Regel erst bei sehr schweren Unfällen. Für die Feuerwehren ergeben sich so zum Beispiel durch den Einsatz hochfester Stähle neue Herausforderungen. Auch das praxisnahe Üben fällt schwer, da in der Regel nur alte Schrottfahrzeuge zur Verfügung stehen, die noch keine entsprechenden Verstärkungen enthalten. Zudem sind die Übungsfahrzeuge in aller Regel unbeschädigt oder nur leicht beschädigt, was im Vergleich zum Rettungseinsatz zu relevanten Unterschieden führen kann. So muss die Einsatztaktik entsprechend angepasst werden und die Einsatzkräfte benötigen zusätzliche Schulungen.
Tatsache ist: Aktuelle Ausführungen konventioneller Einsatzmittel der Feuerwehr wie hydraulischer Spreizer, Schere oder Rettungszylinder reichen aus, um auch bei modernen Fahrzeugen eine effektive und schnelle Rettung durchzuführen. Allerdings gibt es eine Vielzahl an Methoden, die von den Feuerwehren angewandt werden. Diese unterscheiden sich zum Teil deutlich. Entsprechende Unterschiede ergeben sich dabei bei den zur Rettung erforderlichen Zeiten sowie bei den rettungsbedingten Belastungen für die zu rettenden Insassen.
Um den Feuerwehren Optimierungsmöglichkeiten der eigenen Einsatztaktik aufzuzeigen, erstellen DEKRA, das Institut für Verkehrsunfallforschung der Georg-August-Universität Göttingen und Weber Rescue Systems aktuell eine gemeinsame Studie. Zu diesem Zweck wurden im DEKRA Crash Test Center Neumünster zusammen mit einem Notarzt und erfahrenen Feuerwehrleuten unterschiedliche Rettungsmethoden an identisch deformierten modernen Fahrzeugen ausprobiert.
Bei der Auswahl der Fahrzeuge wurde darauf geachtet, dass diese auch heute noch häufig im europäischen Straßenverkehr vorkommen, ein hohes Sicherheitsniveau aufweisen und eine moderne Fahrzeugstruktur besitzen. Die Wahl fiel auf den Ford Focus Turnier der ersten Generation (ab 1999). Dieser erreichte nach seiner Markteinführung im Euro NCAP Test 4 Sterne. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt wurden 30 Fahrzeuge dieses Typs beschafft. Aus Analysen der DEKRA Unfallforschung und auf Basis der Erfahrung des Crash Test Centers wurde ein Anprallszenario gewählt, bei dem die verwendete Rettungspuppe sowohl im Fuß-/Beinbereich als auch im Hüft- und Bauchbereich eingeklemmt wird. Ebenso wurde darauf geachtet, dass das resultierende Beschädigungsszenario nicht zwangsläufig zum Tod der Insassen führt. Eine Eindringung der Instrumententafel um 20 bis 30 cm war hierzu die Voraussetzung, was durch eine Anprallgeschwindigkeit von 85 km/h bei nur teilweiser Überdeckung erreicht wurde.
Das Ergebnis: Alle Rettungsmethoden – große Seitenöffnung, schnelle Rettung über die Fahrertür mit Rettungsboa, Tunneln durch den Kofferraum, Dachabnahme nach dem Hamburger Modell und Kettenzug – sind geeignet, eingeklemmte Insassen sicher und schonend zu befreien. Die Zeiten lagen in Neumünster zwischen rund 11 und knapp 20 Minuten.
Die gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen werden zurzeit im Detail analysiert. Zudem ist vorgesehen, weitere Versuche mit Neufahrzeugen zur Validierung der Ergebnisse durchzuführen. Das Material wird anschließend veröffentlicht, um es den Feuerwehren zugänglich zu machen.