Hohe Unfallgefahr durch Smartphone Nutzung am Steuer

01. Juni 2017 Faktor Mensch
Zu einer seit Jahren zunehmenden Gefahr für die Verkehrssicherheit ist die Nutzung des Handys am Steuer geworden. Wie aus einer im November 2016 veröffentlichten Studie des Allianz Zentrums für Technik (AZT) hervorgeht, ist in Deutschland mittlerweile jeder zehnte Verkehrsunfall mit Todesfolge auf Ablenkung durch Smartphones, Navigationssysteme oder andere technische Bedienelemente im Auto zurückzuführen. 2015 gab es in Deutschland 3.277 Verkehrsunfälle mit Getöteten – somit wären mindestens knapp 330 Menschen durch Ablenkung am Steuer ums Leben gekommen.
Auf ähnlich hohem Niveau bewegen sich nach Angaben der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) die Zahlen in den USA. Danach kamen hier 2015 knapp zehn Prozent der Verkehrstoten bei Ablenkungsunfällen ums Leben. In Zahlen: 3.477 von insgesamt 35.092. Alarmierend ist in diesem Zusammenhang auch eine Anfang 2016 veröffentlichte Studie der Verkehrsforscher um Thomas Dingus vom Virginia Tech Transportation Institute (VTTI). Das Team stattete über 3.500 Autos von Fahrern im Alter von 16 bis 98 Jahren mit Kameras, Sensoren und Radar aus, die sowohl die Daten des Fahrzeugs aufzeichneten wie auch das Verhalten der Fahrer. In einem Zeitraum von drei Jahren verursachten die „Testpersonen“ 905 Unfälle mit Personen- oder Sachschaden. 88 Prozent davon gingen auf menschliches Versagen zurück.
Dass Ablenkung am Steuer rein fahrphysikalisch ähnlich gravierende Auswirkungen haben kann wie der sogenannte Sekundenschlaf, unterstreicht folgendes Beispiel: Wenn ein Auto 80 km/h schnell fährt und der Fahrer fünf Sekunden etwa durch den Blick auf eine eingegangene SMS abgelenkt ist und somit nicht reagieren kann, legt sein Fahrzeug in dieser Zeit eine unkontrollierte Fahrtstrecke von 111 Metern zurück.
Angesichts dieser Problematik sollte man auch nach Ansicht der DEKRA Unfallforscher die Kfz-Ausstattung mit Fahrerassistenzsystemen fördern, welche die Folgen von Ablenkungsunfällen mindern können – zum Beispiel Spurhalte-, Abstandsund Notbremsassistent. In Bezug auf Deutschland fordern Verkehrssicherheitsexperten zudem dringend die Einführung des Merkmals „Ablenkung“ in die deutsche Unfallstatistik. Unter anderem in den USA, Österreich und der Schweiz ist dies schon seit Jahren der Fall.
Überlegenswert erscheint in diesem Zusammenhang auch eine im Herbst 2016 abgegebene Empfehlung der US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA: Danach sollen Smartphones über eine vereinfachte Nutzeroberfläche verfügen, die aktiv wird, sobald das Gerät mit dem Fahrzeug verbunden ist. Denkbar wären nach Ansicht der NHTSA zum Beispiel extra große Schaltflächen und Schrifttypen oder eine Reduzierung der Funktionsvielfalt – etwa das Sperren des Internetbrowsers oder von Social-Media-Apps während der Fahrt. Mittlerweile gibt es auch Anbieter von im Fahrzeug installierbaren Systemen, die sich so programmieren lassen, dass bestimmte Funktionen des Handys während der Fahrt automatisch gesperrt sind. Derartige Systeme werden unter anderem bereits von zahlreichen Firmenflotten genutzt, um zu verhindern, dass sich ihre Mitarbeiter beim Fahren in lebensgefährliche Situationen bringen.
Dass viele Staaten der Welt die Problematik längst erkannt haben, zeigt sich unter anderem auch daran, dass von den verschiedensten Institutionen immer wieder neue öffentlichkeitswirksame Aufklärungskampagnen mit teilweise erschütternden Fotos und Videos zu diesem Thema aufgelegt werden. Solche Kampagnen wie auch Verkehrserziehung in Schulen, Fahrschulen und Betrieben scheinen dringender denn je, um das Bewusstsein für die gerade auch aus Ablenkung resultierenden Risiken im Straßenverkehr zu erhöhen.