Mit der „gläsernen Straße“ zur Vision Zero

08. Nov. 2020 Infrastruktur
Um die Zahl der Verkehrstoten in Baden-Württemberg zu senken, hat das Verkehrsministerium des Landes ein europaweit in dieser Form bislang wohl einzigartiges Verkehrssicherheitsscreening entwickelt. Es dient dazu, flächendeckend unfallauffällige Streckenabschnitte zu ermitteln, um auf diese Weise effiziente Optimierungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Das beim E-Government-Wettbewerb 2018 in Berlin mit dem 1. Platz in der Kategorie „Bestes Infrastrukturprojekt“ ausgezeichnete Screening ist zugleich für die 150 Unfallkommissionen in Baden-Württemberg ein ideales Werkzeug zur Vor- und Nachbereitung des immer notwendigen Vor-Ort-Termins. Auf einer gemeinsam mit DTV-Verkehrsconsult konzipierten Plattform werden dazu alle für die Verkehrssicherheitsarbeit relevanten Informationen einheitlich ausgewertet und die Ergebnisse in thematischen Karten dargestellt. Also Informationen wie zum Beispiel Unfalldaten, Verkehrsmengen und Fahrzeuggeschwindigkeiten auf Basis des regelmäßigen Verkehrsmonitorings an mittlerweile rund 5.000 Zählstellen im Land, Straßengeometrie, Straßenzustand und Streckenfotos. Alle Informationen sind bezogen auf kurze Straßenabschnitte von meist 100 Metern Länge in thematisch gegliederten Steckbriefen zusammengefasst und die Straßenabschnitte je nach Unfallbelastung farblich in Grün, Gelb oder Rot markiert.
Die Steckbriefe bilden die gemeinsame Grundlage für die Analyse von Unfallursachen und Abhilfemaßnahmen und enthalten bis zu 700 Einzelinformationen. Zur inhaltlichen Erleichterung der Verkehrssicherheitsarbeit werden darüber hinaus Netzbewertungen und Sonderuntersuchungen durchgeführt, die einzelne Unfalltypen oder Fahrzeugarten separat betrachten. Also zum Beispiel Abkommen von der Fahrbahn und Aufprall auf ein Hindernis, Lkw-Unfälle, Motorradunfälle oder Unfälle im Längsverkehr. Zusätzlich wurde ein Online- Priorisierungswerkzeug entwickelt, das eine individuelle Gewichtung von Randbedingungen von Unfällen ermöglicht und diese reiht, um je nach Fragestellung die kritischsten Punkte in wenigen Minuten erkennen und markieren zu können. Dieses Ranking ermöglicht es unter anderem, die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel zur Verbesserung der Straßeninfrastruktur dort einzusetzen, wo der Bedarf am dringendsten ist, und somit die Verkehrssicherheit nachhaltig zu erhöhen.
Das Screening soll konsequent weiterentwickelt werden – unter anderem dahingehend, dass nicht nur die Unfalldaten vom Unfallverursacher, sondern aller Unfallbeteiligten zur Verfügung stehen. Vor allem bei Motorradunfällen ist eine solche Auswertung wichtig, da bei diesen Unfällen oftmals Personen schwerste Verletzungen davontragen, die nicht Unfallverursacher waren. Diese Problematik gibt es auch bei Unfällen zwischen Lkw und Fahrrädern.