Schwerstverletzte rücken verstärkt in den Fokus der EU

01. Sept. 2017 Unfallgeschehen
Nach Angaben der EU-Kommission kommen auf jeden Verkehrstoten statistisch gesehen sehr viel mehr Personen mit schweren, oft lebensverändernden Verletzungen. Schwere Verletzungen treten nicht bloß häufiger auf, sie verursachen überdies aufgrund des langwierigeren Rehabilitations- und Krankenpflegebedarfs hohe Kosten für die Gesellschaft. Besonders betroffen sind hier schwächere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Fahrrad- und Motorradfahrer oder ältere Personen.
Seit dem Jahr 2015 melden die EU-Mitgliedsstaaten Daten zu schweren Verletzungen auf der Grundlage einer neuen, gemeinsam vereinbarten Definition nach medizinischen Standards. Zu der Definition schwerer Verletzungen bei Verkehrsunfällen verwendet die EU den internationalen AIS-Code (Abbreviated Injury Scale). Ab dem Wert 3 (MAIS3+) handelt es sich um schwere Verletzungen. Dadurch kommt es zu teilweise deutlichen Abweichungen von den bislang national unterschiedlich erhobenen Zahlen „schwer verletzter“ Verkehrsteilnehmer. Im November 2016 veröffentlichte die Kommission Daten zur Schwere der Verletzungen aus 16 Mitgliedsstaaten: Belgien, Tschechische Republik, Deutschland, Spanien, Irland, Frankreich, Italien, Zypern, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Slowenien, Finnland, Schweden und Vereinigtes Königreich. Anhand der vorliegenden Daten ist davon auszugehen, dass in der EU im Straßenverkehr jährlich etwa 135.000 Menschen schwerste Verletzungen erleiden. Damit entfallen auf jeden Verkehrstoten in der EU 5,2 Schwerverletzte. Auch bei den Schwerverletzten handelt es sich überproportional um besonders gefährdete Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Radfahrer und Motorradfahrer sowie zumeist um ältere Menschen.

Verkehrsunfallentwicklung 2016 in Deutschland

Nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamts war 2016 in Deutschland seit der Wiedervereinigung das unfallreichste Jahr: Die Polizei nahm rund 2,6 Millionen Unfälle auf (+2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Bei 2,3 Millionen Unfällen blieb es bei Sachschäden, bei 308.000 Unfällen wurden Personen verletzt oder getötet. Insgesamt kamen – ebenfalls nach vorläufigen Zahlen – 2016 in Deutschland bei Unfällen im Straßenverkehr 3.206 Menschen ums Leben. Das sind 253 Getötete beziehungsweise 7,3 Prozent weniger als im Jahr 2015 mit 3.459 Getöteten. Damit erreichte die Zahl der Verkehrstoten den niedrigsten Stand seit mehr als 60 Jahren. In absoluten Zahlen betrachtet, ergibt sich innerhalb Deutschlands ein sehr inhomogenes Bild. So gab es den voraussichtlich stärksten Rückgang in Baden-Württemberg mit –78 Personen (–16,1 Prozent), gefolgt von Brandenburg mit –58 Personen (–32,4 Prozent). In den Stadtstaaten Hamburg (+9/+45 Prozent) und Berlin (+8/+16,7 Prozent) kam es ebenso wie im Saarland (+3/+9,7 Prozent), in Schleswig-Holstein (+7/+6,5 Prozent) und in Bayern (+2/+0,3 Prozent) zu Anstiegen.
Genauere Hintergründe für diese Gesamtentwicklung des Unfallgeschehens liegen laut Aussagen des Statistischen Bundesamtes noch nicht vor. Zum Rückgang der Zahl der Verkehrstoten im Jahr 2016 dürfte allerdings die insgesamt ungünstige Witterung im ersten Halbjahr beigetragen haben.
Die bisher vorliegenden detaillierten Ergebnisse von Januar bis Dezember 2016 zeigen, dass deutlich weniger Benutzer von Motorrädern und -rollern im Straßenverkehr tödlich verunglückten (–99 Getötete = –15,7 Prozent). Auch die Zahl der getöteten Insassen von Pkw ging zurück (–170 Getötete = –6,5 Prozent). Dagegen kamen mehr Menschen auf Kleinkrafträdern und Mofas (+6 Getötete = +8,5 Prozent) sowie auf einem Fahrrad ums Leben (+8 Getötete = +2,5 Prozent). Der Zuwachs bei den Radfahrern ist auf die große Beliebtheit von Pedelecs und die damit einhergehende häufigere Unfallbeteiligung zurückzuführen (insgesamt 61 Getötete = +70 Prozent gegenüber 2015). Bei Unfällen mit Beteiligung von Lkw über 3,5 Tonnen kamen 2016 insgesamt 40 Menschen mehr ums Leben als 2015. Bei Lkw unter 3,5 Tonnen gab es dagegen einen Rückgang um 56 Verkehrstote.
Die meisten Verkehrsteilnehmer kamen auf Landstraßen ums Leben (1.855), innerstädtisch beläuft sich die Zahl der Verkehrstoten auf 958, auf Autobahnen starben 393 Menschen. Bei Unfällen mit Personenschaden wurden in knapp 370.000 Fällen Fehlverhalten der beteiligten Fahrzeugführer festgestellt. An erster Stelle standen dabei Fehler beim Abbiegen, Wenden oder Rückwärtsfahren (knapp 58.000), gefolgt von Vorfahrtsmissachtung (knapp 53.500), zu geringem Abstand (51.200) und zu hoher Geschwindigkeit (knapp 47.000). Welcher Anteil auf Ablenkung durch Handy & Co. zurückzuführen ist, lässt sich mangels Nachweisbarkeit nicht bestimmen. Er dürfte aber nicht unerheblich sein.