Tagesschläfrigkeit erhöht das Unfallrisiko

01. Apr. 2016 Faktor Mensch
Eine große Gefahr für den Straßenverkehr ist seit jeher Müdigkeit beziehungsweise Schläfrigkeit, auch definiert als „schlafbezogene Müdigkeit“. In Daten lässt sich diese Gefahr nur schwer fassen. Denn es gibt dafür keinen Atem- oder Bluttest, den die Polizei auf Verdacht hin durchführen könnte, wie es beispielsweise beim Verdacht auf Alkohol oder Drogenkonsum möglich ist. So wird die Müdigkeit als Unfallursache in Statistiken häufig unterschätzt, weshalb mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen ist.
Hinweise auf Müdigkeit als Unfallursache geben Studien, bei denen Unfallbeteiligte direkt nach den Unfallursachen befragt werden. So wurde von 9.200 norwegischen Unfallbeteiligten (Sagberg, 1999) für 3,9 Prozent aller Unfälle Einschlafen oder Schläfrigkeit als Unfallursache angegeben. Stark überrepräsentiert war dieser Faktor bei Nachtunfällen (18,6 Prozent), Unfällen mit Abkommen von der Fahrbahn (8,3 Prozent), Unfällen nach einer Fahrtstrecke von mehr als 150 Kilometern (8,1 Prozent) und Unfällen mit Personenschaden (7,3 Prozent). Eine detaillierte wissenschaftliche Analyse von Lkw-Unfällen auf Autobahnen in Deutschland (Evers & Auerbach, 2003) ergab, dass Müdigkeit bei 16 bis 19 Prozent der Lkw-Unfälle mit Getöteten und Schwerverletzten die Ursache war.
Auch wenn die statistischen Daten zur Schläfrigkeit als Unfallursache nur eingeschränkt interpretierbar sind, erlaubt ein Blick auf die Datenlage des Statistischen Bundesamts (2015) zumindest die Feststellung des Trends, dass die Übermüdung als Unfallursache in den letzten Jahren zugenommen hat.

Starke Einschränkung der Leistungsfähigkeit

Müdigkeit und Schläfrigkeit haben großen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines Fahrers. Denn dadurch sind Aufmerksamkeit, Konzentration und Reaktionszeit stark beeinträchtigt und es kommt zu Fehleinschätzungen zum Beispiel der Geschwindigkeit oder der Entfernung. So konnte in einem Experiment nachgewiesen werden, dass Studienteilnehmer, die nachts einen Test zum Erkennen von Gefahrenreizen im Straßenverkehr machten, die kritischen Reize in potenziell gefährlichen Verkehrsszenarien signifikant schlechter erkennen (Höger, Marquardt & Walter, 2011). Die Fähigkeit zur Gefahrenerkennung im Straßenverkehr bei Müdigkeit scheint dabei bei Fahranfängern im Vergleich zu den erfahrenen Fahrern stärker beeinträchtigt zu sein (Smith, Horswill, Chambers & Wetton, 2009). Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass ein Teil der Verkehrsunfälle durch die ermüdungsbedingten Beeinträchtigungen beim Erkennen von Gefahren im Straßenverkehr zustande kommen.
Eine weitere Gefahr beim Führen von Kraftfahrzeugen durch müde Fahrer besteht im Sekundenschlaf, dem kurzen Einnicken. Dieser kann insbesondere bei langen, monotonen Fahrstrecken eintreten. Innerhalb von nur wenigen Sekunden legt aber ein Fahrzeug je nach Geschwindigkeit etliche Meter zurück. In dieser Zeit besteht dann nicht nur die Gefahr, dass der schlafende Fahrer die Kontrolle über sein Fahrzeug verliert und unter Umständen von der Fahrbahn abkommt. Er kann auch keine anderen Verkehrsteilnehmer mehr wahrnehmen und beachten.
Müdigkeit kann viele Ursachen haben. Dazu zählen neben Schlafentzug aufgrund äußerer Umstände auch Schichtarbeit, Medikamenteneinnahme oder Alkohol- beziehungsweise Drogenmissbrauch. So haben Schichtarbeiter häufig mit Müdigkeit und Tagesschläfrigkeit zu kämpfen. Ein weiterer Grund für Tagesschläfrigkeit sind Schlafstörungen und schlafbezogene Atemstörungen wie etwa Schlafapnoe. Wenn bei einem Betroffenen eine Form der Schlafstörung diagnostiziert wurde, ist es daher wichtig, dass er durch die behandelnden Ärzte einen Hinweis auf eine mögliche Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit beim Führen von Kraftfahrzeugen bekommt. Dies gilt auch für die Verschreibung von Medikamenten, deren Einnahme mit einer erhöhten Schläfrigkeit einhergeht.

Was tun bei Müdigkeit am Steuer?

In erster Linie gilt es, einen Ermüdungszustand beim Führen von Kraftfahrzeugen möglichst zu vermeiden. Vor Fahrtantritt sollte also auf ausreichend Schlaf und Erholung – insbesondere vor langen Fahrten – geachtet werden. Machen Sie sich bewusst, dass langes Fahren auf monotoner Strecke (Autobahn) besonders müde macht. Planen Sie also ausreichend Pausen ein. Körperliche Aktivität in den Pausen erhöht den Sauerstoffgehalt in Blut und Gehirn und hilft so, Müdigkeit zu bekämpfen. Wenn Sie bemerken, dass die Augenlider schwer werden und Sie unkonzentriert werden, halten Sie so schnell wie möglich an. In solchen Fällen hilft eine kurze Ruhepause, in der Sie mit einem kurzen Nickerchen („Power Nap“) der ermüdungsbedingten Unfallgefahr entgegenwirken können. Insbesondere Fahrer, die regelmäßig oder periodisch Medikamente einnehmen müssen (zum Beispiel auch Antihistaminika in Allergiemitteln), sollten sich unbedingt beim Arzt erkundigen, ob die Einnahme der Mittel zu Müdigkeit führt. Auch der Konsum von Drogen oder Alkohol kann – selbst noch am Folgetag! – Auswirkungen auf die Leistungen haben und zu Müdigkeit führen.
PS: Übrigens senkt die Anwesenheit eines Beifahrers die Gefahr, einen müdigkeitsbedingten Unfall zu verursachen.