Visionärer Truck
1989 präsentierten Mercedes-Benz, AMG und DEKRA gemeinsam das Konzept eines Sattelkraftfahrzeugs der Zukunft, den Eurotruck 1. Im Unterschied zu anderen Zukunftsstudien wurde das Fahrzeug zulassungsfähig gebaut und die Komponenten waren durchweg funktionsfähig. Längst haben viele der damals visionär erscheinenden Komponenten und Systeme Einzug in die Lkw- und Pkw-Technik gefunden. Dessen ungeachtet gibt es aus heutiger Sicht beim Eurotruck 1 in Sachen Sicherheit an der einen oder anderen Stelle durchaus auch Grund zur Kritik. So waren das Funktelefon und Faxgerät direkt neben dem Fahrer zweifelsohne visionär. Heute weiß man aber, dass die Ablenkung durch solche Kommunikationsgeräte ein enormes Sicherheitsrisiko darstellt. Auch ein weiteres bis in den heutigen Fahrzeugbau reichendes Problem trat bereits damals in Erscheinung: Dem futuristischen Design fiel der sicherheitstechnisch relevante Aspekt einer guten direkten Sicht aus dem Fahrzeug auf die direkt umliegenden Bereiche neben dem Fahrzeug zum Opfer. Der tote Winkel wurde durch das Karosseriedesign im Bereich der Seitenscheiben vergrößert.
Sehr fortschrittlich war dagegen die Vollverkleidung, die nicht nur die Aerodynamik und damit den Kraftstoffverbrauch verbesserte, sondern auch den Schutz von Radfahrern und Fußgängern. Auch wurde der Fahrer durch zahlreiche Kameras und einen optisch und akustisch arbeitenden Rückfahrassistenten beim Rangieren unterstützt. Systeme also, die erst in den letzten Jahren Einzug in die Cockpits moderner Fahrzeuge fanden. Auch das verbaute Navigationssystem, in einem Dokumentarfilm über den Lkw aus dem Jahr 1991 als „Straßensuch- und -findegerät“ beschrieben, war nicht nur von der Funktion her wegweisend.
Die verbauten Rückhaltesysteme waren ihrer Zeit ebenfalls weit voraus und sind leider auch heute noch kein Standard im Lkw-Bereich. Durch die Integration des Sicherheitsgurts in den luftgefederten Fahrersitz kommt es zu keinen Relativbewegungen zwischen angeschnalltem Fahrer und dem damals üblicherweise wie im Pkw an der B-Säule umgelenkten Gurtband. Um die beim Unfall wirkenden Kräfte aufnehmen zu können, bedarf es einer entsprechend stabilen Auslegung der Rückenlehne sowie der Sitzverankerung. Zusätzlich war der Eurotruck mit Fahrerund Beifahrerairbag ausgestattet. Für mehr Sicherheit während der Fahrt sorgte ein automatisches Reifendruckkontrollsystem.
Das Beispiel zeigt, dass es oftmals sehr lange dauert, bis neue Konzepte und Ansätze trotz funktionsfähiger Prototypen Einzug in die Fläche finden.