Abgestufte Fahrerlaubnis

01. Juni 2017 Faktor Mensch
In Deutschland hatten die ersten Jugendlichen schon ab April 2004 die Möglichkeit, am sogenannten begleiteten Fahren ab 17 (BF 17) teilzunehmen. Seit 2008 ist dies in allen Bundesländern möglich. Um die Wirkung dieser Maßnahme auf die Verkehrssicherheit zu prüfen, wurden 2011 in einer Studie zwei große Zufallsstichproben untersucht: ehemalige BF-17-Fahrer und Fahrer, die ihre Fahrerlaubnis mit dem 18. Lebensjahr erworben haben. Die Ergebnisse zeigen, dass im ersten Jahr des selbstständigen Fahrens bei den ehemaligen BF-17-Nutzern 17 Prozent weniger Unfälle und 15 Prozent weniger Verkehrsverstöße im Vergleich mit gleichaltrigen Fahrern mit „herkömmlichen Fahrerlaubniserwerb“ zu verzeichnen waren. Legt man die Fahrleistung zugrunde, ergibt sich ein Rückgang der Unfälle und Verkehrsauffälligkeiten um weitere vier Prozentpunkte (23 Prozent Unfälle, 22 Prozent Verkehrsverstöße). Dieses Ergebnis ließ sich mittels einer unabhängigen Stichprobe verifizieren. Somit verhinderte das begleitete Fahren ab 17 im Jahr 2009 circa 1.700 Unfälle mit Personenschaden. Es wurde aber auch nachgewiesen, dass sich die positiven Effekte des begleiteten Fahrens ab 17 zwar bis in das zweite Jahr des selbstständigen Fahrens auswirken, dann jedoch nachlassen. Das Modell „Begleitetes Fahren“ gibt es auch in anderen Ländern. Erfolgreiche Beispiele sind etwa Frankreich, Belgien, Österreich, Spanien, Kanada und einige Bundesstaaten in den USA. Die Voraussetzungen, um als Begleitperson geeignet zu sein, sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich. In Deutschland zum Beispiel müssen sie mindestens 30 Jahre alt und länger als fünf Jahre in Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis der Klasse B (Pkw-Führerschein) oder der entsprechenden alten Klasse 3 sein. Außerdem dürfen sie zum Zeitpunkt der Erteilung der Prüfungsbescheinigung, in der sie namentlich genannt sein müssen, nicht mehr als einen Punkt im Fahreignungsregister in Flensburg haben. In Österreich muss die Begleitperson seit mindestens sieben Jahren einen B-Führerschein besitzen und glaubhaft machen, seit mindestens drei Jahren tatsächlich einen Pkw oder Kombi zu lenken. In den letzten drei Jahren darf zudem keine schwere Verkehrsübertretung begangen worden sein, und während der Begleitfahrten gilt Alkoholverbot (Limit 0,1 Promille). In Belgien muss der Begleiter mindestens sechs Jahre den Führerschein haben. Da sich nach einigen Jahren Fahrpraxis aber unter Umständen Fehler einschleichen oder es gesetzliche Änderungen gibt, die der Begleiter nicht kennt, müssen Begleitpersonen in Belgien seit Anfang 2017 zusätzlich noch einen Auffrischungskurs absolvieren. Eine Besonderheit in den USA ist das Konzept des Graduated Driver Licensing (GDL). Die GDL-Regelungen beinhalten Beschränkungen für jugendliche Autofahrer – und zwar in drei Stufen:
  • Lernstadium: Fahren nur unter Aufsicht, abschließend erfolgt eine Fahrprüfung;
  • Übergangsphase: überwiegend selbstständiges Fahren, allerdings unter bestimmten Auflagen wie absolutes Alkoholverbot, Begrenzung der Anzahl jugendlicher Beifahrer oder Nachtfahrten nur mit Begleitung;
  • volle Fahrberechtigung: Standard-Führerschein.
Dieses Konzept wurde 1996 erstmals in Florida eingeführt, inzwischen haben es alle Staaten in den USA in gleicher oder ähnlicher Form umgesetzt. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Studien der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA), des Insurance Institute for Highway Safety (IIHS) und des angeschlossenen Highway Loss Data Institute (HLDI) zufolge sind in der Altersgruppe von 15 bis 20 Jahren die Todesfälle bei Autofahrern zwischen 2005 und 2014 um 51 Prozent zurückgegangen. Dessen ungeachtet starben 2014 nicht weniger als 1.717 junge Autofahrer zwischen 15 und 20 Jahren bei Verkehrsunfällen, geschätzte 170.000 wurden verletzt. Darüber hinaus waren 2014 neun Prozent der an tödlichen Unfällen beteiligten Fahrer zwischen 15 und 20 Jahre alt. In Neuseeland, wo seit Mai 2015 die DEKRA Tochter Vehicle Testing New Zealand (VTNZ) die praktischen Fahrerlaubnisprüfungen abnimmt, wurde bereits 1987 ein dreistufiges GDL-System eingeführt, das seitdem für alle Fahranfänger im Alter von 15 bis 24 Jahren Anwendung findet. Es gliedert sich in einen Lernführerschein („Learner’s Licence“), eine beschränkte Fahrerlaubnis („Restricted Licence“) und eine uneingeschränkte Fahrerlaubnis („Full Licence“).