Flexible Reaktionen auf sich ändernde Verkehrsanlagen

01. Juni 2017 Infrastruktur
Bei dem System der Seitenstreifenfreigabe auf Autobahnen werden bei hoher Verkehrsdichte die Seitenstreifen durch entsprechende variable Beschilderung temporär als zusätzliche Fahrstreifen freigegeben – oftmals vor Autobahnabfahrten. Dies dient der Stauvermeidung und stellt damit neben vielen weiteren positiven Effekten eine Maßnahme der Unfallvermeidung dar. Das System kann aber nur dann gut funktionieren, wenn die Seitenstreifen im betroffenen Abschnitt permanent überwacht und auch gesperrt werden, wenn sie zum Abstellen von Pannen- oder Unfallfahrzeugen freizuhalten sind.
Die flexible Reaktion auf sich ändernde Verkehrslagen ist ohnehin ein wesentlicher Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. Variable Verkehrszeichen an Autobahnen oder in Bereichen von Messe- oder Veranstaltungsgeländen gibt es schon sehr lange. Mit großen Fortschritten etwa bei der Sensortechnik, im Bereich der Telekommunikationstechnik und natürlich auch der Computertechnik sowie im Verständnis von Verkehrsabläufen konnten die Systeme immer weiter entwickelt werden. Die Verzahnung von Informations- und Telekommunikationstechnik sowie die Verknüpfung unterschiedlicher Formen der Verkehrsbeteiligung ermöglichen heute nicht nur überregional, sondern auch im stark belasteten urbanen Verkehrsraum gezielte Eingriffe in das Verkehrsgeschehen.
Die Paarung von Verkehrsregelung und Information der Verkehrsteilnehmer zeigt teilweise sehr gute Erfolge. In England bietet das National Traffic Control Centre (NTCC) Echtzeitinformationen zu den Verkehrsverhältnissen auf Autobahnen und Fernstraßen. In London wird aus dem London Streets Traffic Control Centre (LSTCC) das Verkehrsgeschehen überwacht und steuernd eingegriffen. Ähnliche, zum Teil noch besser ausgestattete Zentren gibt es zum Beispiel in Warschau, Moskau oder Tokio. Die stetige Entwicklung auf dem Gebiet der Telematik wird hier noch viele weitere nutzvolle Entwicklungen hervorbringen.

Schaffung einer Knotenpunktsinfrastruktur

Aber nicht nur die Technik ist hier gefordert, sondern auch jeder einzelne Verkehrsteilnehmer. Solange die Autofahrer einem noch nicht vernetzten Navigationssystem mehr glauben als Verkehrsleitzentralen oder sie den Schleichweg durchs Wohngebiet nehmen, um die überfüllte Hauptstraße zu umgehen, werden vermeidbare Verkehrsrisiken geschaffen. Das starre Festhalten an nur einem Verkehrsmittel, zumeist dem Pkw, führt zudem zu unnötigen Verkehrsbelastungen mit den daraus resultierenden Unfallrisiken. Die häufigere Nutzung von Car-, Roller- und Bikesharing-Angeboten, der zumindest streckenweise Umstieg auf den ÖPNV sowie der Einsatz von Fahrrad oder auch den eigenen Füßen steht nicht nur „den anderen“ gut zu Gesicht. Flexibilität in der Mobilität fängt bei jedem Einzelnen an. Die Technik ist hier nur ein Mittel zum Zweck.
Zur Förderung der flexiblen Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel muss aber auch eine Knotenpunkts-Infrastruktur geschaffen werden. Dabei geht es insbesondere um die Schaffung von sicheren Abstellmöglichkeiten für Autos, Fahrräder und alternative Verkehrsmittel wie beispielsweise Segways an Stellen mit einer guten ÖPNVAnbindung. Richtige Fahrradparkhäuser in der Nähe von stark frequentierten Bahnstationen finden sich häufig in den Niederlanden sowie im asiatischen Raum. Die japanische Stadt Kyoto setzt dabei sogar auf vollautomatisierte unterirdische Garagen. Überdachte Fahrradstellplätze mit guten Sicherungsmöglichkeiten sollten an möglichst vielen Haltestellen angeboten werden. Auch die Schaffung von sicheren Mitnahmemöglichkeiten von Fahrrädern im ÖPNV, aber ebenso auf Fernverbindungen, trägt zur Verkehrssicherheit bei. Je attraktiver die Angebote, desto größer die Akzeptanz bei den potenziellen Nutzern.

Entschärfte Schutzeinrichtungen für Motorradfahrer

Auch im außerörtlichen Bereich gibt es noch viel Verbesserungspotenzial. Durch das höhere Geschwindigkeitsniveau sind es hier nicht mehr die Fußgänger und Radfahrer, die besonders häufig verunglücken, sondern die Nutzer von Kraftfahrzeugen. Infrastrukturanpassungen für Motorradfahrer zielen dabei auf die Reduzierung des Risikos einer besonders gefährlichen Art der Verkehrsteilnahme.
Maßnahmen, die den Fahrbahnbelag sicher instand halten, haben dabei eine positive Wirkung auch für die übrigen Verkehrsteilnehmer. Insbesondere die in einigen Ländern zum Flicken von Schlaglöchern oder Rissen verwendete Bitumenmasse wird für Motorradfahrer schnell zur Gefahr. Reparaturmaßnahmen sollten daher nur mit Materialien erfolgen, die ähnliche Reibwerte aufweisen wie der übrige Belag. Ein schnelles Ausbessern von Schlaglöchern verhindert eine weitere Schädigung der Fahrbahnoberfläche und das Auftreten von Rollsplit im Zuge großflächigerer Ausbesserungen.
Darüber hinaus sollten Schutzplanken so gestaltet sein, dass sie auch anprallenden Motorradfahrern den bestmöglichen Schutz bieten. Die Kombination aus einer großflächigen Oberseite, zum Beispiel einem Kastenprofil, mit einem unter dem Holm angebrachten Unterzug zur Verhinderung eines Pfostenanpralls hat sich in Crashtests, aber auch bei realen Unfällen bewährt. Unterzüge können an vielen bestehenden Systemen nachgerüstet werden. So bietet etwa das von DEKRA im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) weiterentwickelte System „Euskirchen Plus“ dem anprallenden Motorradfahrer einen vergleichsweise hohen Schutz.