Grundsätzlich positiver Trend bei der Unfallentwicklung
Aus der aktuellen Situation und den verschiedenen Zukunftsszenarien ergibt sich eine ganze Reihe von Herausforderungen für die Verkehrssicherheit insbesondere von Lkw und Transportern. Denn mit dem Anstieg der Fahrleistung gerade auch schwerer Nutzfahrzeuge steigt sowohl die Wahrscheinlichkeit für den Einzelnen, in einen Unfall verwickelt zu werden, als auch die Bedeutung für das gesamte Unfallgeschehen. Die grundsätzliche Tendenz ist dessen ungeachtet positiv: Dank immenser Fortschritte seitens der Hersteller etwa in puncto Fahrerassistenzsysteme ist EU-weit die Zahl der bei Nutzfahrzeugunfällen getöteten Verkehrsteilnehmer in den letzten Jahren deutlich gesunken. Waren 2006 in diesem Bereich noch 7.233 Verkehrstote zu beklagen, ist diese Zahl bis 2015 laut den jüngsten Zahlen der EU-Kommission um über 47 Prozent auf 3.848 gesunken (Schaubild 7). Das sind rund 15 Prozent aller Verkehrstoten in der EU – ein Prozentsatz, der in den letzten Jahren mehr oder weniger auf diesem Niveau verharrt. In den USA ist für denselben Zeitraum ein Rückgang um knapp 20 Prozent von 5.027 auf 4.067 Getötete zu verzeichnen. In Deutschland beträgt der Rückgang circa 34 Prozent von 1.197 auf 787, für 2016 gibt die Statistik 745 Getötete bei Verkehrsunfällen mit Güterkraftfahrzeugen an – also nochmals vier Prozent weniger.
Insgesamt ist die Zahl der Unfallbeteiligungen zwar verhältnismäßig gering – erst recht im Verhältnis zu den zurückgelegten Fahrzeugkilometern. Das zeigen schon einige vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte Zahlen aus Deutschland: 2016 registrierte die Polizei hier 308.145 Verkehrsunfälle mit Personenschaden – 211.460 hiervon verursachten Pkw-Fahrer, für 19.022 Unfälle mit Personenschaden waren Fahrer von Nutzfahrzeugen verantwortlich. Pkw-Fahrer legten 2016 nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes in Deutschland über 625,5 Milliarden Kilometer zurück, Fahrer von Nutzfahrzeugen 80,5 Milliarden Kilometer. Das bedeutet: Alle 2,96 Millionen Kilometer kam 2016 ein Unfall mit Personenschaden auf einen Fahrer eines Pkw, alle 4,23 Millionen Kilometer auf einen Fahrer eines Nutzfahrzeugs.
Allerdings: Sind Güterkraftfahrzeuge an Unfällen mit Personenschaden beteiligt, dann handelt es sich überproportional häufig um Unfälle mit Getöteten. Dies ist auf die in dem Vergleich zu den anderen Verkehrsteilnehmern größere Masse und geringere Kompatibilität der Güterkraftfahrzeuge zurückzuführen. Hinzu kommt bei den großen und schweren Güterkraftfahrzeugen eine zusätzliche Gefährdung durch große, von dem Fahrer nicht einsehbare Bereiche. Insbesondere Fußgänger und Zweiradfahrer sind hier einem besonderen Risiko ausgesetzt.
Hohes Sicherheitsneveau weiter ausbauen
Der insgesamt positive Trend ist auf eine Vielzahl von Maßnahmen zurückzuführen. Zweifelsohne spielen dabei die bereits erwähnten Fahrerassistenzsysteme eine Rolle. Nutzfahrzeuge nehmen in diesem Punkt eine Vorreiterrolle ein. Technologien wie elektronisch gesteuerte Brems- und Notbremssysteme kamen zuerst in dieser Fahrzeugkategorie zum Einsatz, bevor sie zur möglichen Pkw-Ausstattung gehörten. Ihre Wirksamkeit steht außer Frage. So hat zum Beispiel der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft und der Kravag-Versicherung in einem Feldversuch mit über 1.000 Fahrzeugen nachgewiesen, dass mit Fahrerassistenzsystemen ausgestattete Lkw eine um 34 Prozent niedrigere Unfallwahrscheinlichkeit aufweisen als gleichartige Referenzfahrzeuge. Allerdings sind diese Systeme zum jetzigen Zeitpunkt noch manuell abschaltbar. Ob dies im Sinne der Verkehrssicherheit ist, wird daher zu Recht heftig diskutiert. Denn was nützt im Ernstfall ein System, das sich im Offline- Zustand befindet? Eine Frage, die im Kapitel Fahrzeugtechnik dieses Reports noch eingehend beleuchtet wird.
Dasselbe gilt für die immer stärkere Vernetzung der Nutzfahrzeuge zum einen mit der sie umgebenden Infrastruktur, zum anderen untereinander. Konnektivität wird die automobile Zukunft bestimmen, die Vernetzung mehrerer Lastwagen zu einem sogenannten Platoon gilt als eine der wegweisenden Ideen für den Güterverkehr von morgen und markiert einen wichtigen Schritt in Richtung automatisiertes Fahren. Der Straßenverkehr soll dadurch effizienter und sicherer, das Fahrpersonal entlastet werden.
Überhaupt spielt – neben der Fahrzeugtechnologie und der in diesem Report ebenfalls beleuchteten Infrastruktur – der Mensch im Nutzfahrzeug eine ganz zentrale Rolle für die Verkehrssicherheit. Angesichts der Tatsache, dass europaweit nahezu 90 Prozent aller Unfälle auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen sind, kommt der Sensibilisierung der Berufskraftfahrer/-innen für diese Problematik eine ganz entscheidende Bedeutung zu. Die sogenannte europäische „Berufskraftfahrer“- Richtlinie 2003/59/EG vom 15. Juli 2003 „über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr“ hat in diesem Punkt schon viel Positives bewirkt. Rund um dieses Thema gibt es aber noch viele „Baustellen“, die im vorliegenden Report in einem eigenen Kapitel ebenfalls zur Sprache kommen.
Für mehr Verkehrssicherheit gerade auch von Güterkraftfahrzeugen wird am Ende das effiziente Zusammenspiel mehrerer Faktoren entscheidend sein. Das Potenzial eines fahrzeugtechnisch optimierten und mit allen verfügbaren Fahrerassistenzsystemen ausgestatteten Lkw oder Transporters lässt sich nur dann optimal nutzen, wenn auch die Infrastruktur beziehungsweise der Straßenzustand passen, die Vernetzung funktioniert und der Mensch am Steuer zuverlässig seinen Dienst tut. Zur Entlastung der Straßen sind gleichzeitig neue Wege beim kombinierten Verkehr erforderlich. Worauf es bei all diesen Punkten im Einzelnen ankommt, steht im Blickpunkt dieses mittlerweile elften Verkehrssicherheitsreports von DEKRA.