Möglichkeiten der Einschränkung von Tempo oder Funktionalitäten

12. Mai 2022 Fahrzeugtechnik
Das Leistungs- und Geschwindigkeitspotenzial der Fahrzeuge, mit denen junge Menschen unterwegs sind, übt auf manche Fahranfänger das unwiderstehliche Verlangen aus, es in seiner vollen Entfaltung zu erleben – im Hochgefühl, endlich die Fahrerlaubnis zu haben, frei und „völlig losgelöst“ einfach dahinzufahren. Nicht selten nimmt diese Fahrt jedoch – tragischerweise mitunter auf den ersten Streckenkilometern – kein gutes Ende.
Dieses insbesondere in der Anfangsphase hohe Gefahrenpotenzial lässt sich mit technischen Mitteln durchaus reduzieren. Dabei spielt der stetige Fortschritt bei der Digitalisierung der Fahrzeugantriebe in Verbindung mit dem Bedien-Equipment eine wichtige Rolle. Schon vor einer Dekade präsentierte ein erster Automobilhersteller eine anwendungsbereite Lösung, wonach mittels eines programmierbaren Zündschlüssels bei dessen Verwendung – beispielsweise durch einen Fahranfänger – die maximal erreichbare Geschwindigkeit auf einen bestimmten Wert begrenzt wird.
Eine solche Beschränkung der maximal möglichen Geschwindigkeit bietet jedoch noch keine Gewähr, dass das, was zum Beispiel in der deutschen Straßenverkehrsordnung bezüglich der Geschwindigkeit in allen Fahrsituationen gefordert ist, auch tatsächlich eingehalten wird. Darin heißt es in Paragraf 3: „Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.“
Für mehr Sicherheit spielt vor allem die Beachtung der Verkehrsregeln eine ganz entscheidende Rolle. Dabei weisen bestimmte Verkehrsschilder auf besondere Gefahrenlagen hin und verlangen dementsprechend auf einigen Straßenabschnitten die Einhaltung einer reduzierten, maximal zulässigen Geschwindigkeit. Der besondere Schutz gilt dabei – zum Beispiel vor Kindergärten, Schulen oder Altersheimen – den besonders vulnerablen Personengruppen. Um hier die Einhaltung geltender Geschwindigkeitsbegrenzungen noch zuverlässiger zu gestalten, wird es neben den ebenfalls wirksamen Verkehrskontrollen künftig auch fahrzeugseitige Einrichtungen geben, die auf die Einhaltung der Tempolimits direkten Einfluss nehmen.

AUTOMATISCHE SPEEDLIMITER

Zu diesen Einrichtungen zählt zum Beispiel das Intelligent-Speed-Assistance-(ISA-)System. Da sich die EU hiervon einen positiven Effekt auf die Senkung der Unfallzahlen verspricht, hat sie festgelegt, dass ab dem 6. Juli 2022 alle neue Fahrzeugtypen (Pkw, Transporter, Lkw und Busse) verpflichtend mit einem ISA-System ausgerüstet sein müssen. Pflicht in allen neu in Verkehr kommenden Fahrzeugen wird ISA dann ab dem 7. Juli 2024. Die Verkehrszeichenerkennung sowie Tempomaten (-regeleinrichtungen/-begrenzer) gehören inzwischen zunehmend zur Pkw-Standardausrüstung. ISA wird die Systeme so verbinden, dass der Fahrer dabei unterstützt wird, das aktuell geltende Tempolimit einzuhalten. Dabei soll ISA entweder per Videokamera und/oder GPSgestützt das aktuelle Tempolimit erkennen. Der intelligente Geschwindigkeitsassistent lässt sich jederzeit vom Fahrer übersteuern. Um die Akzeptanz zu erhöhen, soll ISA zudem abschaltbar, jedoch bei jedem Neustart des Fahrzeugs wieder aktiv sein.
Über das Gaspedal kann der Fahrer das System überstimmen, zum Beispiel bei einem Überholmanöver, während sich das Tempolimit ändert. Der Fahrer erhält dabei ein visuelles und akustisches Signal, bis er wieder die erlaubte Höchstgeschwindigkeit erreicht oder unterschreitet. Dann ist ISA wieder aktiv. ISA regelt die Geschwindigkeit nicht über einen Bremseingriff, sondern über eine Reduzierung der Motorleistung. Dazu gibt es eine entsprechende visuelle und akustische Warnung. Möglich ist auch ein sich verstärkender Widerstand im Gaspedal. Es liegt in der Verantwortung des Fahrers, zu bremsen. Automatisches Bremsen erfolgt nur, wenn das Fahrzeug ein automatisiertes Notbremssystem oder ein adaptives Temporegelsystem an Bord hat.
Welches Unfallvermeidungspotenzial in ISA steckt, lässt sich aus heutiger Sicht schwer sagen. Wenn aber zum Beispiel in Deutschland im Jahr 2030 die Hälfte aller zugelassenen Fahrzeuge über das System verfügen würde, könnten – sofern der Unfall bei Einhalten der zulässigen Geschwindigkeit nicht passieren würde, was allerdings nicht immer der Fall ist – mithilfe des Systems 2,8 Prozent der tödlichen Unfälle (= circa 100 Verkehrstote) adressiert werden. Seine volle Wirksamkeit kann das System nur entfalten, wenn es stets funktioniert und der Fahrer bei einem warnenden System die Warnung wahrnimmt und ihr tatsächlich auch folgt. Klar ist außerdem: Auch bei ISA handelt es sich „nur“ um ein Assistenzsystem. Soll heißen: Der Fahrer ist und bleibt weiterhin zu jeder Zeit dafür verantwortlich, das aktuelle Tempolimit zu beachten und einzuhalten.

AUTOMATISCHE GESCHWINDIGKEITSBEGRENZUNG IN VERKEHRSBERUHIGTEN BEREICHEN UND FUSSGÄNGERZONEN

Das Grundprinzip automatischer Speedlimiter lässt sich – bei Verfügbarkeit entsprechender Hard- und Software – künftig vom Grundsatz her auch auf andere Verkehrsmittel wie E- Scooter oder Pedelecs übertragen. DEKRA sieht darin eine große Chance, das heute oft konfliktreiche und unfallträchtige Mit- und Durcheinander in vorrangig dem Fußgängerverkehr vorbehaltenen Bereichen einvernehmlich und ohne ernsthafte Gefährdungen zu gestalten. Mit einer automatischen temporären Geschwindigkeitsreduzierung der E-Scooter oder Pedelecs von 20/25 km/h auf Schrittgeschwindigkeit (7 km/h) ließe sich das angestrebte Modell lebendiger, multimodaler Innenstadtbereiche in naher Zukunft erfolgreich verwirklichen.
Inwieweit sich solche Lösungsansätze künftig dann auch auf bestimmte Abschnitte von Fahrradwegen beziehungsweise auf die sogenannten Radfernwege übertragen lassen, wird nach erfolgreichen Pilotprojekten zu entscheiden sein. DEKRA jedenfalls befürwortet die Initiierung solcher Projekte. Gedacht wird hier an eine ebenfalls temporäre automatische Geschwindigkeitsreduzierung entsprechend ausgerüsteter S- Pedelecs (45 km/h) auf maximal 25 km/h, wie sie als Abregelgeschwindigkeit für die elektromotorische Unterstützung üblicher Pedelecs gilt, die ohnehin – den Fahrrädern gleichgestellt – auf allen Radwegen verkehren.