Positiver Trend – aber immer noch tragische Unfälle

09. Juni 2018 Unfallgeschehen
Die Unfallzahlen unter anderem aus den EU-Mitgliedstaaten zeigen ganz deutlich: Güterkraftfahrzeuge sind weit besser als ihr Ruf, im Vergleich zum Pkw ist die Zahl der Unfallbeteiligungen verhältnismäßig gering. In Anbetracht des Bestandes, der höheren Fahrleistungen und der längeren Präsenz auf den Straßen ergibt sich allerdings für die Fahrzeugführer selbst ein mehr als sechsmal höheres Risiko, in einen Unfall verwickelt zu werden, als für andere Verkehrsteilnehmer.
„Monstercrash auf der Autobahn“, „Lkw kracht ungebremst in Stauende“, „Drei Tote nach Unfall mit Geisterfahrer-Lkw“, „Familie zwischen zwei Lkw zermalmt“ und viele Schlagzeilen mehr: Regelmäßig finden sich in den Medien Meldungen über Unfälle mit Nutzfahrzeugen, bei denen zahlreiche Menschen schwer verletzt worden sind oder ihr Leben verloren haben. Doch bei aller Tragik für die Betroffenen dürfen diese Fälle über eines nicht hinwegtäuschen: Bezogen auf ihre Fahrleistung sind Güterkraftfahrzeuge deutlich seltener an Unfällen mit Personenschaden beteiligt als Pkw.
Das belegen unter anderem folgende Zahlen aus Deutschland eindrücklich: So betrug die Jahresfahrleistung von Pkw in Deutschland 2016 nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) rund 625 Milliarden Kilometer, von Güterkraftfahrzeugen circa 82 Milliarden Kilometer. Insgesamt waren 2016 etwa 381.000 Pkw-Fahrer und 32.000 Fahrer von Güterkraftfahrzeugen an einem Unfall mit Personenschaden beteiligt. Daraus folgt: Pro Milliarde Fahrzeugkilometer waren statistisch gesehen 390 Güterkraftfahrzeuge an Verkehrsunfällen mit Personenschaden beteiligt, für Pkw beläuft sich die Vergleichszahl auf 610. Das fahrleistungsbezogene Risiko der Beteiligung an Unfällen mit Personenschaden war also 2016 bei Pkw – wie schon in den vorhergehenden Jahren – rund 1,5 Mal so hoch wie bei Güterkraftfahrzeugen.
Untermauert wird die insgesamt positive Entwicklung bei den Güterkraftfahrzeugen auch nochdurch folgende Zahlen aus Deutschland: Gegenüber dem Jahr 2000 mit etwa 48.500 beteiligten Fahrern von Güterkraftfahrzeugen an Unfällen mit Personenschaden ist diese Zahl bis zum Jahr 2016 um 33 Prozent gesunken. Die Fahrleistung ist in diesem Zeitraum aber um etwa 40 Prozent gestiegen.

Unfallgeschehen in der EU

Schaut man sich die konkreten Unfallzahlen an, wird dadurch der schon seit Jahren grundsätzlich positive Trend in vielen Teilen der Welt bestätigt. So reduzierte sich zum Beispiel in den EU-Mitgliedstaaten die Zahl der Getöteten bei Unfällen mit Nutzfahrzeugen über 3,5 Tonnen von 7.233 im Jahr 2006 auf 3.848 im Jahr 2015, also um rund 47 Prozent. Das waren zu diesem Zeitpunkt knapp 15 Prozent aller circa 26.000 Verkehrstoten in der EU. Spitzenreiter in Sachen Rückgang sind im genannten Zeitraum Italien (minus 78 Prozent), Spanien (minus 60 Prozent) und Griechenland (minus 59 Prozent).
Die Zahlen sind also stark rückläufig, der Prozentsatz der Getöteten bei Unfällen mit Nutzfahrzeugen im Verhältnis zu allen Verkehrstoten in der EU verharrt allerdings seit Jahren auf ungefähr demselben Niveau. Häufigste Unfallgegner sind – an dieser Reihenfolge gibt es seit Jahren ebenfalls keine Änderungen – Pkw, was sich 2015 auch in 1.908 getöteten Pkw-Insassen bei Unfällen mit Güterkraftfahrzeugen widerspiegelt. 15 Prozent der Getöteten bei diesen Unfällen entfielen 2015 auf Fußgänger, 13 Prozent auf die Insassen von Güterkraftfahrzeugen selbst. Gerade Letzteres sollte auch deswegen zu denken geben, weil es in der EU wohl keine andere Berufsgruppe gibt, die so viele tödlich verletzte Personen am Arbeitsplatz zu verzeichnen hat, wie die Berufskraftfahrer.
55 Prozent der bei Unfällen mit Güterkraftfahrzeugen Getöteten kamen auf Landstraßen ums Leben, 25 Prozent innerorts und 19 Prozent auf Autobahnen. Außerdem bemerkenswert: Der Außerorts- Anteil tödlich verletzter Insassen schwerer Güterkraftfahrzeuge betrug 2015 in der EU 86 Prozent und war somit deutlich höher als bei den anderen Verkehrsteilnehmern.
Stichwort Transporter: Die meisten Länder weisen mehr tödlich verletzte Insassen in Nutzfahrzeugen bis 3,5 Tonnen auf als in schwereren Lkw. Einzige Ausnahmen mit deutlichen Abweichungen davon sind Lettland und die Slowakei. In den verschiedenen Ländern kommen tödlich verletzte Insassen in Nutzfahrzeugen bis 3,5 Tonnen im Durchschnitt der verfügbaren Zahlen 1,8 Mal häufiger vor als in schwereren Güterkraftfahrzeugen. Einen Extremwert stellt Dänemark mit dem Faktor 7,8 dar. Der höhere Wert für Transporter ist zweifelsohne auch auf die höhere Anzahl der am Straßenverkehr teilnehmenden Transporter zurückzuführen. Insgesamt zeigen die für diese Detailauswertung verfügbaren CARE-Zahlen für den Zeitraum von 2001 bis 2010 einen Rückgang der tödlich verletzten Insassen. In den schweren Lkw betrug der Rückgang 41,6 Prozent, in den Transportern 35,3 Prozent. Für die Jahre nach 2010 sind die Datenlücken zu groß, um eine genauere Aussage machen zu können.

Europäische Studien über Unfallursachen

Will man bei Unfällen mit Güterkraftfahrzeugen international noch mehr ins Detail gehen, so stellt man schnell fest, dass einheitliche Statistiken nur sehr begrenzt verfügbar sind. Immerhin haben aber schon vor Jahren einige Organisationen im Rahmen von eSafety (HDV Work group Heavy Duty Vehicles) versucht, Unfallsituationen zu identifizieren, die einen hohen Anteil für Europa aufweisen. Abkommen von der Fahrspur, Aufprall auf einen vorausfahrenden Lkw, Frontalzusammenstoß mit einem entgegenkommenden Pkw, seitlicher Zusammenstoß mit einem Pkw und Zusammenstoß mit einem Fußgänger oder Radfahrer summieren sich dabei auf zwischen 40 und 62 Prozent aller Unfälle mit Getöteten und Schwerverletzten.
Interessante Aufschlüsse über die wesentlichen Unfallursachen unter Beteiligung schwerer Lkw in der EU gibt auch die bereits 2007 veröffentlichte, aber nach wie vor aussagefähige ETAC-Studie (ETAC = European Truck Accident Causation) der International Road Transport Union (IRU). Danach sind 27 Prozent der Unfälle Kreuzungsunfälle, etwa 21 Prozent Auffahrunfälle, 20 Prozent Unfälle durch Abkommen von der Fahrbahn und knapp über 11 Prozent Unfälle durch Überholmanöver. Bei den Kreuzungsunfällen dominieren als Auslöser in erster Linie Missachtung der Vorfahrt und nicht angepasste Geschwindigkeit, bei den Auffahrunfällen nicht angepasste Geschwindigkeit und ungenügender Abstand, bei den Unfällen durch Abkommen von der Fahrspur nicht angepasste Geschwindigkeit und Übermüdung, bei den Unfällen durch Überholmanöver Unachtsamkeit sowie Übermüdung.

Unfallgeschehen in Deutschland

Zahlreiche Entwicklungen auf EU-Ebene spiegeln sich auch im Unfallgeschehen auf deutschen Straßen wider. Hier gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamts im Jahr 2016 insgesamt 29.353 Unfälle mit Personenschaden, an denen mindestens ein Güterkraftfahrzeug beteiligt war. Insgesamt waren 32.352 Fahrer von Güterkraftfahrzeugen in Unfälle mit Personenschaden im Jahr 2016 involviert – davon 48,6 Prozent innerorts, 26,6 Prozent auf Landstraßen und 24,8 Prozent auf Autobahnen. Wie das Statistische Bundesamt in seinem Unfalljahresbericht für das Jahr 2016 ausführt, wird bei Betrachtung der Ortslage auch die unterschiedliche Nutzung der Fahrzeuge deutlich. Während bei den Kleinlastern etwa im Verteilverkehr oder Handwerk die Innerortsunfälle mit rund 60 Prozent der Unfallbeteiligten dominieren, waren Fahrer von Sattelkraftfahrzeugen mit einem Anteil von knapp 50 Prozent am häufigsten an Unfällen auf Autobahnen beteiligt.
Bei den Unfällen mit Güterkraftfahrzeugen kamen insgesamt 745 Menschen ums Leben – also rund 23 Prozent aller insgesamt bei Verkehrsunfällen Getöteten. Gegenüber dem Vorjahr waren es 42 Personen oder 5,3 Prozent weniger. Die Zahl der Schwerverletzten ging um 0,8 Prozent zurück auf 7.278, dagegen stieg die Zahl der Leichtverletzten um 0,4 Prozent auf 32.234 Personen. Von den 745 Getöteten kamen auf Landstraßen 355 Personen (= 47,5 Prozent) ums Leben, auf Autobahnen 206 (= 27,5 Prozent) und innerorts 184 (= 25 Prozent). An der Verteilung der Verunglückten auf die jeweilige Art der Verkehrsteilnahme zeigt sich, dass die Unfallfolgen aufgrund der Größe und Masse der Güterkraftfahrzeuge für die Unfallgegner meist deutlich schwerer sind als für die Güterkraftfahrzeugbenutzer selbst. Denn von den 2016 bei „Lkw-Unfällen“ Verunglückten waren 9.483 Insassen von Güterkraftfahrzeugen und 30.774 andere Verkehrsteilnehmer. Von den dabei Getöteten waren 133 Insassen von Güterkraftfahrzeugen und 612 wiederum andere Verkehrsteilnehmer. Das Risiko, bei einem „Lkw-Unfall“ getötet zu werden, ist somit für die anderen Unfallbeteiligten einschließlich Mitfahrer über viermal so hoch wie für die Insassen eines Güterkraftfahrzeugs.

Hauptunfallgegner ist der PKW

Laut Statistischem Bundesamt waren von den insgesamt 29.353 Unfällen mit Personenschaden unter Beteiligung von Güterkraftfahrzeugen 5,8 Prozent Alleinunfälle, bei denen 35 Insassen von Güterkraftfahrzeugen getötet wurden. Bei 21.550 Unfällen (= 73,4 Prozent) gab es aber einen weiteren Unfallbeteiligten, bei jedem fünften Unfall mit einem Güterkraftfahrzeug waren mindestens drei Verkehrsteilnehmer beteiligt. Häufigster Unfallgegner bei Unfällen mit zwei Beteiligten war ein Pkw (13.194), dabei wurden 207 Pkw-Insassen und zehn Insassen von Güterkraftfahrzeugen getötet. Darüber hinaus starben 2016 bei Unfällen mit Personenschaden unter Beteiligung von Güterkraftfahrzeugen 96 Fußgänger, 77 Radfahrer und 51 Benutzer von Krafträdern. Bei 1.268 Unfällen war der Unfallgegner ebenfalls ein Güterkraftfahrzeug – hierbei verunglückten 55 Güterkraftfahrzeugbenutzer tödlich.
Insgesamt galten knapp 60 Prozent aller unfallbeteiligten Fahrer eines Güterkraftfahrzeugs als Hauptverursacher eines Unfalls mit Personenschaden. Aber auch hier zeigt sich eine weite Spanne: Bei den Fahrern eines Kleinlasters waren 64,4 Prozent, bei den Fahrern von Sattelkraftfahrzeugen dagegen nur 50,6 Prozent die Hauptverursacher des Unfalls. Die häufigsten Fehlverhalten, die den Fahrern von Güterkraftfahrzeugen angelastet wurden, waren Abstandsfehler mit rund 20 Prozent, gefolgt von Fehlern beim „Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren“ mit 16,8 Prozent, Vorfahrt-/Vorrangfehlern mit 11,2 Prozent sowie „nicht angepasster Geschwindigkeit“ mit 10,4 Prozent.