Probezeit für Fahranfänger - Überwachung und präventive Interventionsmaßnahmen in Deutschland

05. Mai 2022 Faktor Mensch
In Deutschland existiert für Fahranfänger eine Stufenfolge von Maßnahmen bei Verstößen während der Probezeit. Wenn jemand alle Stufen durchläuft und anschließend erneut gegen Regeln verstößt, stellt dies einen besonderen Fall gesetzlich definierter Nichteignung dar, was zum Entzug der Fahrerlaubnis führt. Dabei wird zwischen schwerwiegenden (Kategorie A) und weniger schwerwiegenden Verstößen (Kategorie B) unterschieden und der Begriff einer „erheblichen Auffälligkeit“ näher spezifiziert. „Erheblich“ auffällig ist man, wenn man einmal mit einem nach Kategorie A oder zweimal mit einem nach Kategorie B bewerteten Delikt auffällt. Ein A-Verstoß und damit eine schwerwiegende Zuwiderhandlung ist zum Beispiel ein Rotlichtverstoß oder aber eine Geschwindigkeitsübertretung mit einem Pkw von mehr als 21 km/h. Ein B-Verstoß und damit eine weniger schwerwiegende Zuwiderhandlung ist zum Beispiel eine Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem Pkw bis zu 20 km/h.
Der Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe unterliegt während der Probezeit einer besonderen Überwachung im Rahmen des erwähnten Dreistufensystems. Dieses sieht folgende Korrekturmaßnahmen vor: Begeht der Fahrerlaubnisinhaber innerhalb der Probezeit erstmalig eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen, so ordnet die zuständige Fahrerlaubnisbehörde die Teilnahme an einem Aufbauseminar an. Für alkohol- oder drogenauffällige Fahrer ist die Teilnahme an einem von Psychologen durchgeführten „besonderen Aufbauseminar“ verpflichtend. Neben einem Bußgeld und einem Fahrverbot von bis zu drei Monaten wird jedem Auffälligen, der sich noch in der zweijährigen Probezeit befindet, die Teilnahme an dieser präventiven Maßnahme verordnet, da bekannt ist, dass vor allem eine frühe substanzbedingte Auffälligkeit im Straßenverkehr einen Rückfallfaktor für weitere einschlägige Verstöße darstellt. Bei Nichtteilnahme wird die Fahrerlaubnis entzogen oder aber der Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis versagt. Die Seminarprogramme fokussieren sich auf die Motivierung zu einer nachhaltigen Änderung in Einstellung und Verhalten zum Alkohol- und/oder Drogenkonsum und unterstützen die Teilnehmer in der Veränderung ihres Verhaltens. Durch Anleitung zur Selbstbeobachtung (zum Beispiel Führen eines Trinkprotokolls), Beseitigung von Wissenslücken über die Gefahr und Wirkungsweise psychoaktiver Substanzen und Verbesserung der Verhaltensplanung wird die Kompetenz der Teilnehmer verbessert.

STUFENFOLGE VON MASSNAHMEN BEI VERSTÖSSEN WÄHREND DER PROBEZEIT

Kommt es nach dem Aufbauseminar oder dem besonderen Aufbauseminar innerhalb der Probezeit zu einem weiteren schwerwiegenden Verstoß oder zwei weiteren weniger schwerwiegenden Verstößen, so erfolgt auf Stufe zwei eine schriftliche Verwarnung durch die Führerscheinbehörde. Zudem empfiehlt die Fahrerlaubnisbehörde, innerhalb von zwei Monaten an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen, um Mängel in der Einstellung zum Straßenverkehr und im verkehrssicheren Verhalten zu erkennen und sie ab zubauen. In diesem Kontext werden zumeist Deliktanalysen sowie eine Bilanzierung von Stärken und Schwächen der Fahrer als Ausgangspunkt für Veränderungsmaßnahmen durchgeführt und darauf abgestimmt, die künftige Verkehrsverhaltensplanung zu verbessern.
Folgen nach Stufe zwei erneut ein schwerwiegender Verstoß oder zwei weitere weniger schwerwiegende Verstöße, wird die Fahrerlaubnis entzogen. Das Gesetz sieht daher bei Nichtbewährung während der Probezeit je nach Häufigkeit der begangenen Verkehrszuwiderhandlungen bis zu drei schwerwiegende und bis zu sechs weniger schwerwiegende Verkehrsverstöße vor, ehe von Nichteignung ausgegangen und die Fahrerlaubnis entzogen wird. Der betroffene Fahrer darf dann mindestens sechs Monate kein Kraftfahrzeug mehr führen und muss sich danach einer medizinisch-psychologischen Fahreignungsüberprüfung stellen. Im Rahmen dieser Untersuchung wird abgeklärt, ob sich die für das Fehlverhalten ursächlichen Faktoren zwischenzeitlich geändert haben oder weiter bestehen.

FEEDBACK-SYSTEME FÜR FAHRANFÄNGER – METHODEN, AKZEPTANZ UND MASSNAHMENERFOLG

Eine Möglichkeit, die Sicherheit von Fahranfängern und jungen Fahrern zu erhöhen, besteht in der Verwendung von Rückmeldesystemen im Fahrzeug. Sie unterstützen die Informationsverarbeitung und tragen dazu bei, unerwünschtes und riskantes Fahrverhalten zu vermeiden, indem sie die Fahrweise überwachen und gezielte Rückmeldungen zu sicherheitsrelevantem Verhalten geben.
Ganz grundsätzlich helfen die Feedback-Systeme dabei, relevante Umgebungsinformationen herauszufiltern, die für die Fahraufgabe relevant sein können. Dadurch wird die Antizipation sich entwickelnder Gefahrensituationen unterstützt. Feedback-Systeme sind nutzerzentriert, geben dem Fahrer die Rückmeldung in Echtzeit, sammeln und analysieren kontinuierlich Daten. Dabei werden zwei verschiedene Arten unterschieden: zum einen aufmerksamkeitsaktivierende Feedback-Systeme und zum anderen vollständige Überwachungssysteme.
Erstere fokussieren sich auf spezifisches Verhalten – sie agieren prognostisch und reagieren beziehungsweise alarmieren die Fahrer, wenn bestimmte Risiken (Müdigkeit, Distanz zum vorausfahrenden Fahrzeug, Geschwindigkeit) auftreten. Ein Beispiel könnten das drohende Einschlafen des Fahrers sein und der damit verbundene Warnhinweis, eine Pause einzulegen. Monitoringsysteme überwachen das Verhalten des Fahrers ebenfalls, analysieren es jedoch nur retrospektiv und geben dann eine Rückmeldung. Dabei werden ebenfalls sicherheitsrelevante Faktoren wie Beschleunigung, Geschwindigkeit, Linienführung, die Abstände zum vorausfahrenden Fahrzeug und Ähnliches erfasst.
Aus diesen Rohdaten werden Situationen analysiert, die (sicherheits-)relevante Ereignisse darstellen könnten, zum Beispiel durch ein plötzliches Abbremsen oder das Verlassen der Fahrspur. Durch Überschreiten bestimmter Grenzwerte wird entschieden, in welcher Situation zu welchem Zeitpunkt ein riskantes Fahrmanöver erfolgt ist. Diese Daten werden gesammelt, zusammengefasst und anschließend an die jeweiligen Empfänger zurückgemeldet. Dies können die Fahrer sein, ein Familienmitglied, meistens ein Elternteil, oder auch das Versicherungsunternehmen, bei dem das Fahrzeug versichert ist. Letztere nutzen diese Informationen mitunter für die Gestaltung von Versicherungstarifen. Zum Beispiel orientieren sich sogenannte „Pay as you drive“-Tarife am jeweiligen Fahrverhalten. Ein Beispiel dafür aus Deutschland ist der im Kapitel „Unfallgeschehen“ schon vorgestellte Tarif „Telematik Plus“ der HUK-Coburg. Ähnlich funktioniert auch der Telematiktarif „Bonus Drive“ der Allianz-Versicherung. Die betreffenden Fahrer haben damit einen monetären Anreiz, besonders sicher mit dem Pkw auf den Straßen unterwegs zu sein, und die Verkehrssicherheit kann insgesamt erhöht werden. Eltern hingegen können durch die Rückmeldungen Tipps zur Verbesserung des Fahrverhaltens ihrer Kinder geben, da sie meist verkehrserfahrener sind. Letztlich lernen auch die Fahrer selbst durch das Feedback, welches Fahrverhalten zu welchem Zeitpunkt sicher war oder wo Risiken entstanden sind – und können diese Risiken in Zukunft vermeiden.
Insgesamt belegen Studien, dass sich durch die Verwendung solcher Feedback-Systeme sicherheitsrelevante Ereignisse um bis zu 50 Prozent reduzieren lassen. Der Zusammenhang zwischen den Systemen und tatsächlichen Verkehrsunfällen ist zwar noch nicht ausreichend erforscht, es zeigt sich jedoch auch hier ein starker Trend hinsichtlich der positiven Wirkung der Feedback-Systeme. Dabei wirkt eine gleichzeitige Rückmeldung sowohl an die Fahrer als auch an ihre Eltern am besten. Generell ist das Feedback an die Eltern wirkungsvoller als das alleinige Feedback an die Fahrer.

HEMMUNGEN BEZÜGLICH DER NUTZUNG VON RÜCKMELDESYSTEMEN ABBAUEN

Allerdings sind mit Feedback-Systemen auch negative Erwartungen und Befürchtungen verbunden, die einer weitverbreiteten Verwendung entgegenstehen. Dabei geht es unter anderem um Bedenken bezüglich des Datenschutzes und der Privatsphäre sowie um die eigene Unabhängigkeit, fehlendes Vertrauen und Limitationen der Technik, sodass der Nutzerkreis bislang eher überschaubar ist. Nicht zu Unrecht befürchten junge Fahrer, dass die Systeme als Instrumente zur Überwachung und Bestrafung durch die Eltern eingesetzt werden könnten. Die Überwachung wird außerdem als Beschneidung der gewonnenen Unabhängigkeit durch das Fahren angesehen. Des Weiteren wird befürchtet, dass die Beziehung zu den Eltern darunter leiden könnte. Die größte Hürde stellen aber die Kosten dar. Eltern, die um die Fahrsicherheit ihrer Kinder besorgt sind, finden sich eher bereit, die erforderlichen Geräte zu installieren.
Um diesen Barrieren zu begegnen und Hemmungen bezüglich der Nutzung von Feedback-Systeme abzubauen, empfiehlt es sich, die technischen Anforderungen für die Installation und Nutzung der Systeme zu verbessern und zu vereinfachen.
Eine simple Bedienung über eine App sowie ein übersichtliches User-Interface sind nur zwei Beispiele dafür. Des Weiteren wären monetäre Anreize, beispielsweise in Form der bereits erwähnten „Pay as you drive“-Versicherungen, ein Weg, um die Bereitschaft zur Nutzung zu erhöhen. Ebenso muss die Rolle der Eltern geklärt werden, die die Verbesserung des Fahrverhaltens und nicht die Bestrafung der jungen Autofahrenden zum Ziel haben sollten. Letztlich brauchen auch die Eltern eine Motivation für ihre Rolle, sie müssen ähnlich wie beim begleitenden Fahren in diesen Prozess eingebunden werden. Wichtig sind vor allem auch der Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre der jungen Autofahrer. Die Sammlung der Daten muss klar und transparent für alle erfolgen: Welche Informationen werden wofür erhoben? Es dürfen außerdem nur die notwendigen und ausschließlich sicherheitsrelevanten Daten erhoben werden. Die GPS-Daten sollten beispielsweise erfasst, aber nicht den Eltern mitgeteilt werden, da sonst die Gefahr der Überwachung besteht. Eine weitere nicht zu unterschätzende Möglichkeit, die Feedback-Systeme zu etablieren, ist die Gesetzgebung. Sie könnte sinnvolle Rahmenbedingungen setzen, zum Beispiel die verpflichtende Anwendung von Feedback-Systemen im Rahmen der Fahrausbildung, in der Probezeit oder im Modell der Graduated Driver License.

GERINGE WIRKSAMKEIT VON BESTRAFUNGEN

In der Fachliteratur findet man nur wenige Aussagen über die auf der Hand liegende Kombination aus Rückmeldung und lernpsychologischen Gesetzmäßigkeiten zu Verhaltensänderungen. Bekanntlich lernt man durch Erfolg am besten. Folgt einem Verhalten eine angenehme Konsequenz, dann nennt man das positive Verstärkung. Bleibt eine unangenehme Konsequenz aus, dann spricht man von einer negativen Verstärkung. Positive wie negative Verstärker erweisen sich als verhaltensförderlich, indem sie in der Folge einen Anstieg der Verhaltenshäufigkeit bewirken. Positive Verstärkung wird als Belohnung, Bekräftigung oder Erfolg erlebt und führt zu positiven Emotionen wie Freude oder Stolz. Negative Verstärkung wird als erleichternd empfunden, weil sie einen unangenehmen Zustand wie Angst oder Langeweile beendet. Das Auftreten von ungünstigen Verhaltenskonsequenzen bezeichnet man hingegen als Bestrafung, wodurch die Verhaltensauffälligkeit gesenkt und somit ein Vermeidungslernen ausgeformt wird.

IM BEREICH DER FAHRER-FAHRZEUG-SCHNITTSTELLE STECKT NOCH VIEL ENTWICKLUNGSPOTENZIAL

Lernpsychologische Forschungsergebnisse legen übereinstimmend nahe, dass von einer eher geringen Wirksamkeit von Bestrafungen ausgegangen werden muss, da sie meist nur eine kurzfristige Verhaltensunterdrückung bewirken, jedoch keine Beseitigung des ungünstigen Verhaltens veranlassen. Es erscheint daher sinnvoll, sicheres Verhalten ausdrücklich zu honorieren und eine Kombination von positiver sowie negativer Verstärkung vorzunehmen. Wie dies aussehen könnte, soll anhand folgender Beispiele veranschaulicht werden.
Hält der Fahrer den Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein, könnte dies akustisch so lange signalisiert werden, bis der erforderliche Mindestabstand wieder hergestellt ist. Dies wäre dann eine negative Verstärkung, da der unangenehme Warnton aufhört. Führt der Fahrer einen Überholvorgang fehlerfrei und ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch, könnte er dafür gelobt und das sicherheitsgerechte Verhalten dadurch verstärkt werden. Außer einer verbalen Rückmeldung könnte der Fahrer zusätzlich fiktive Belohnungsjetons sammeln, die er später in Gutscheine oder eine Verkürzung der Probezeit eintauschen kann. Bei einbrechender Dunkelheit während der Fahrt sollte ein Hinweis zur Einschaltung der Beleuchtung gegeben werden. Wird die Beleuchtung rechtzeitig und auf Eigeninitiative des jungen Fahrers eingeschaltet, könnte dies mit Belohnungsjetons honoriert werden. Bei Eisglätte oder Schneefall könnte der Fahrer durch einen Signalton oder einen Hinweis auf dem Display eine Information zur Fahrbahnbeschaffenheit erhalten. Reduziert er daraufhin seine Geschwindigkeit, könnte dies durch eine verbale Rückmeldung wie „Prima, dass du aufgepasst hast“ positiv honoriert werden.

SICHEREN FAHRSTIL BELOHNEN DURCH NEGATIVE UND POSITIVE VERSTÄRKUNG

Dies sind nur wenige Beispiele dafür, wie sich das situationsgebundene Fahrverhalten unmittelbar mit Rückmeldungen positiver Art beeinflussen lässt. Daneben ist jedoch auch eine finale und zusammenfassende Rückmeldung zum Fahrtverlauf am Ende einer Fahrt denkbar. Wer also eine kurvenreiche Landstraßenroute ohne Kurvenschneiden und unter Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzungen absolviert hat, könnte ebenfalls dafür belohnt werden. So ließe sich auf dem Display ein Fahrtprotokoll anzeigen, in dem dargestellt wird, welche positiven und negativen Situationen während der Fahrt aufgetreten sind.
Fazit: Zum Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit im Straßenverkehr sind bestehende Regelungen zur Verkehrssicherheit beständig auf ihre Schutzwirkung hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren. Diesbezüglich scheint im Bereich der Fahrer-Fahrzeug-Schnittstelle im Kontext der technikbezogenen Unterstützung junger Fahrer auf dem steinigen Weg zur Gewohnheitsbildung sicherheitskonformer Handlungsroutinen noch ein erhebliches Entwicklungspotenzial zu liegen, das künftig genutzt werden muss. Zu bedenken ist außerdem: Das beständige Predigen von Verkehrssicherheit reicht nicht aus, um aus nie ganz perfekten Menschen sichere Kraftfahrer zu machen. Lektionen lassen sich auch in diesem Verhaltensbereich durch mühsame Erfahrungsbildung lernen, indem Fehler gemacht und Lehren daraus gezogen werden, um so das Verhalten, das zu den Fehlern geführt hat, nachhaltig zu verbessern. Ein anstrengender Weg also, der jedoch durch den stets wachsenden Stand des gesammelten Erfahrungswissens abgemildert und smart sowie zielgruppengerecht gestaltet werden kann. Wie künftig im Bereich der Fahrer-Fahrzeug - Schnittstelle neben den Rückmeldesystemen für junge Fahrer fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme eine zunehmende Bedeutung für die weitere Erhöhung der Verkehrssicherheit erhalten werden, wird nachfolgend im Kapitel „Technik“ näher beleuchtet.