Stark erhöhtes Risiko als Fußgänger und Radfahrer

20. Mai 2021 Unfallgeschehen

Das Verkehrsunfallgeschehen wird von einer Vielzahl unterschiedlichster Faktoren beeinflusst. Um Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit abzuleiten, ist daher eine sehr differenzierte Herangehensweise gefragt, die ebendiese Faktoren und deren Zusammenspiel betrachtet. Mit der Analyse des Unfallgeschehens älterer Menschen in verschiedenen Regionen der Welt soll in diesem Kapitel versucht werden, altersspezifische Risiken zu ermitteln, um daraus in den folgenden Kapiteln Lösungsansätze für den Erhalt einer sicheren Mobilität auch im Alter zu entwickeln.

Verfügbare Infrastruktur, Bevölkerungszusammensetzung, finanzielle Mittel, Einstellung der Menschen zur Sicherheit generell und der Verkehrssicherheit im Besonderen: In Sachen Straßenverkehr sind global wie auch in einzelnen Ländern und Regionen teilweise markante Unterschiede zu erkennen. Im ländlichen Raum unterscheidet sich der Straßenverkehr zum Beispiel wesentlich von dem in urbanen Gebieten. Im direkten Städtevergleich spielen Faktoren, wie die Verfügbarkeit eines öffentlichen Personennahverkehrs, das Radwegenetz oder auch die Topografie, jeweils eine entscheidende Rolle. Einen Unterschied macht es auch, welche Verkehrsmittel betrachtet werden. Für die Erhöhung der Sicherheit von Radfahrern bedarf es anderer Konzepte als für die Erhöhung der Sicherheit von Pkw-Insassen. Gleichzeitig dürfen die für eine Verkehrsteilnehmerart eingeführten Maßnahmen nicht die Sicherheit anderer beeinträchtigen. Nicht vergessen werden darf der Hintergrund der Verkehrsteilnahme: Dient sie dem täglichen Weg zur Arbeit und zurück, dem Einkauf, dem Transport von Waren und Gütern auf kurzer oder langer Strecke oder rein der Freizeitgestaltung?
Ebenfalls betrachtet werden muss in diesem Gesamtkontext das Alter der Verkehrsteilnehmer. Im Laufe der Jahre ändern sich die Lebensumstände und die Mobilitätsanforderungen. Mit zunehmender Lebenserfahrung ändert sich die Einstellung zu Risikoakzeptanz und riskantem Verhalten ebenso wie die Fähigkeit, kritische Situationen vorherzusehen. Aber auch die Grenzen des physisch und psychisch Möglichen verschieben sich. Mit dem Ziel, die Verkehrssicherheit für alle zu erhöhen, gleichzeitig aber auch die individuellen Ansprüche an die eigene Mobilität in jeder Altersgruppe zu erfüllen, sind hier sehr differenzierte Betrachtungen Unfallgeschehen 10 und genaue Analysen notwendig. Ein Vergleich des Unfallgeschehens unterschiedlicher Altersgruppen ist dabei geeignet, die verschiedenen – oder auch identischen – Schwachpunkte bei der Verkehrsteilnahme zu identifizieren.
Der Blick auf die absoluten Zahlen hilft allerdings bei der Fokussierung auf das Alter der am Straßenverkehr Teilnehmenden nur bedingt. So fehlen in den meisten Ländern belastbare altersbezogene Daten zur Verkehrsleistung, also zu den zurückgelegten Strecken in unterschiedlichen Fortbewegungsarten, zur im Straßenverkehr zugebrachten Zeit oder auch zur Häufigkeit der Nutzung von innerörtlichen oder außerörtlichen Straßen sowie Autobahnen. Der Anteil der jeweiligen Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung in Bezug auf die Häufigkeit einer Unfallbeteiligung oder auch auf die Verletzungsschwere gibt allerdings wichtige Hinweise für die Relevanz im Gesamtverkehrsgeschehen und Änderungen im Langzeitverlauf.

GROSSE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DEN KONTINENTEN

Setzt man zunächst einmal die globale Brille auf und nimmt die absoluten Zahlen unter die Lupe, so fällt auf, dass nach Angaben des Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) der Universität Washington in Seattle die Zahl der Verkehrstoten weltweit in den letzten Jahren insgesamt auf einem Niveau von circa 1,25 Millionen stagniert – die WHO geht sogar von 1,35 Millionen Verkehrstoten aus. Diese Stagnation betrifft mehr oder weniger alle Kontinente gleichermaßen. Während zumindest bei den bis zu 49 Jahre alten Verkehrsteilnehmern die Zahl der bei Unfällen Getöteten zwischen 1990 und 2019 überwiegend abgenommen hat, gab es in den verschiedenen Altersgruppen ab 50 Jahren teilweise deutliche Steigerungen. Weltweit stieg zum Beispiel die Zahl der bei Unfällen getöteten 65- bis 69-jährigen Verkehrsteilnehmer laut IHME zwischen 1990 und 2019 um über 65 Prozent von 39.000 auf rund 65.000. Allein in Asien verdoppelte sich die Zahl von 20.000 auf über 40.000.

FÜR DIE ERHÖHUNG DER SICHERHEIT VON RADFAHRERN BEDARF ES ANDERER KONZEPTE ALS FÜR DIE ERHÖHUNG DER SICHERHEIT VON PKW-INSASSEN

Bei den über 70-Jährigen (siehe Schaubild) betrug die Steigerungsrate weltweit über 80 Prozent – von 82.000 auf knapp 150.000. Erneut macht hier Asien den Löwenanteil aus: 2019 kamen dort mit knapp 92.000 Getöteten etwa zweieinhalbmal so viele über 70-Jährige bei Straßenverkehrsunfällen ums Leben als 1990. Schaut man sich die Zahl der über 70-jährigen Verkehrstoten pro 100.000 Einwohner an (siehe Schaubild), lag hier Afrika 2019 mit über 80 Getöteten weit über den Durchschnittswerten von Asien (35), Amerika (27) oder Europa (13). Global betrug dieser Wert bei den über 70-Jährigen 32. Für andere Altersgruppen sieht es in diesem Punkt deutlich besser aus. Bei den 15- bis 49-Jährigen kamen 2019 weltweit etwa 16 Menschen pro 100.000 Einwohner bei Verkehrsunfällen ums Leben, bei den 50- bis 69-Jährigen 22.
Aufschlussreich sind die Getötetenzahlen auch im Hinblick auf die Art der Verkehrsteilnahme: Weltweit starben 2019 etwa 55 Prozent der im Straßenverkehr ums Leben gekommenen über 70-Jährigen als Fußgänger (circa 82.500), die Spitze bildete hier Asien mit knapp 56.000 (= 68 Prozent). Als Pkw-Insassen starben 2019 in dieser Altersgruppe weltweit etwa 44.000 Menschen, davon allein in Asien knapp 19.000. Sowohl bei den getöteten Radfahrern als auch den getöteten Motorradfahrern machte Asien mit circa 80 Prozent den größten Anteil aus.
Die genannten Zahlen sind möglicherweise nicht bis ins kleinste Detail belastbar, da teilweise – wie es im Online-Tool „GBD Compare“ des IHME heißt – geschätzt. Dessen ungeachtet zeigen sie einen Trend auf, der sich auch bei Betrachtung statistischer Zahlen und Erhebungen anderer Institutionen bestätigt: Senioren sind im Straßenverkehr stark gefährdet, und das nicht nur als Pkw-Insassen, sondern vor allem auch als Fußgänger und Radfahrer, wie nachfolgendes Schaubild deutlich macht.

BLICK IN EINZELNE AUSGEWÄHLTE STAATEN AUSSERHALB DER EU

Laut der International Traffic Safety Data and Analysis Group (IRTAD) sank in den von ihr untersuchten Ländern im Zeitraum 2010 bis 2018 die Zahl der Verkehrstoten in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen um 25 Prozent und für die 25- bis 64-Jährigen um 6,9 Prozent. Im gleichen Zeitraum zeigte sich bei den Senioren ein gegenläufiger Trend. So stieg die Zahl der bei Unfällen tödlich verletzten über 65-Jährigen um rund sieben Prozent, diejenige der über 75-Jährigen um 4,7 Prozent (siehe Schaubild).
Ein Grund für diese Zunahme ist der steigende Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung. Ferner sind die Senioren heute oftmals mobiler als in früheren Jahrzehnten und nehmen selbst bis ins hohe Alter aktiv am Straßenverkehr teil. So wiesen Bürger im Alter von 75 Jahren und mehr im Jahr 2018 in 13 von 31 IRTAD-Ländern mit verfügbaren Daten die höchste Mortalitätsrate auf. Mit 29,7 Verkehrstoten pro 100.000 Einwohner war diese Rate in Südkorea am höchsten. Der nationale Durchschnitt lag dort bei 7,3 Verkehrstoten pro 100.000 Einwohner. Insgesamt machten Senioren 2018 in Südkorea 44,5 Prozent aller Verkehrstoten aus. Überproportional häufig kamen sie als Fußgänger und Fahrradfahrer ums Leben.
Ein Bericht des International Transport Forum der OECD aus dem Jahr 2016 über Südkorea liefert einige Begründungen, weshalb Südkorea im Vergleich zu anderen OECD-Staaten in Bezug auf die Verkehrssicherheit so schlecht dasteht. So überqueren offensichtlich viele Fußgänger die Fahrbahn, ohne auf den Verkehr zu achten. Wird hierbei ein Senior erfasst, hat dieser eine höhere Wahrscheinlichkeit, an den Unfallfolgen zu versterben, als ein jüngerer Mensch. Weiteres Problem: Breite Kreuzungen erfordern mehr Zeit zum Überqueren, was das Unfallrisiko nach dem Umschalten der Ampeln für Fußgänger auf Rot erhöht. Da Senioren allgemein langsamer gehen als Jüngere, sind sie hier im Nachteil. In Verbindung mit einem angeblich rücksichtslosen Verhalten einiger Verkehrsteilnehmer sind Senioren demnach hier einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Letzteres gilt auch für ein weiteres asiatisches Land: Japan. Ältere Verkehrsteilnehmer sind dort ebenfalls mit Abstand die Gruppe mit dem höchsten Unfallrisiko. 2018 machten sie 57 Prozent aller Todesfälle im Straßenverkehr aus. Die meisten im Straßenverkehr getöteten Senioren sterben in Japan als Fußgänger. Dies gilt nach Angaben des IHME außerhalb von Europa unter anderem auch für Brasilien, Chile und China.
In den USA zeigen sich bei den Senioren keine besonderen Auffälligkeiten. Wie in vielen anderen Staaten weisen Fahrer in der Altersgruppe 70+ eine höhere Unfallrate pro gefahrener Meile auf als Fahrer mittleren Alters. Betrachtet man die Rate an tödlichen Verkehrsunfällen pro gefahrenem Kilometer, so steigt diese ab dem Alter von 70 bis 74 Jahren rapide an und ist in der Altersgruppe 85+ am höchsten. Für den Zeitraum von 2009 bis 2018 sind in den USA nach Angaben der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) für die Altersgruppe 65+ vor allem folgende Entwicklungen bemerkenswert: Die Zahl der tödlichen Verkehrsunfälle stieg in diesem Zeitraum um 30 Prozent, die Zahl der tödlich verunglückten Fußgänger sogar um 65 Prozent (bei Männern um 74 Prozent und bei Frauen um 49 Prozent). Die Zahl der tödlichen Unfälle von Radfahrern ab 65 Jahren ist zwar relativ gering, aber um 86 Prozent gestiegen. Bezogen auf die Bevölkerung, ist die Getötetenrate für Senioren ab einem Alter von 65 Jahren über all die Jahre höher als in den Altersgruppen darunter (siehe Schaubild). Bei Verkehrsunfällen sterben in den USA die meisten Senioren als Pkw-Insassen. Dasselbe gilt nach Angaben des IHME außerhalb von Europa unter anderem auch für Australien, Kanada und Neuseeland.

SITUATION IN DER EU

In der Europäischen Union (EU 28) kamen im Jahr 2018 auf den Straßen 25.082 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben. Gegenüber dem Jahr 2008 mit 35.315 Getöteten bedeutet dies einen Rückgang um 29 Prozent. Von den 2018 ums Leben gekommenen Menschen waren 7.274 mindestens 65 Jahre alt, was einem Anteil von rund 29 Prozent an allen Getöteten entspricht (siehe Schaubild). Im Jahr 2008 lag dieser Anteil mit 7.397 Getöteten noch bei knapp 21 Prozent. Der Rückgang in absoluten Zahlen liegt damit in dieser Altersgruppe im betrachteten Zeitraum bei lediglich fünf Prozent, der Anteil dieser Gruppe an allen Verkehrstoten steigt deutlich an (siehe Schaubild). Im Zeitraum 2010 bis 2018 sank die Zahl der Verkehrstoten in nahezu allen Altersgruppen, bei den 18- bis 24-Jährigen sogar um 43 Prozent. Dagegen kamen in der Altersgruppe 65+ 2018 fünf Prozent mehr Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben als 2010. Dies könnte eine Folge davon sein, dass die Bevölkerung, EU- weit gesehen, über die Jahre immer älter wird.
Im Jahr 2018 lebten in der EU (EU 28) rund 512 Millionen Menschen. Knapp 100 Millionen davon waren 65 Jahre oder älter, was einem Anteil von 20 Prozent entspricht. Im Jahr 2014 lag der Anteil noch bei 18 Prozent (etwa 95 Millionen von knapp 508 Millionen). Der auch schon in der Einleitung beschriebene demografische Wandel hat damit an dieser Stelle einen Einfluss darauf, dass in der Gruppe der Senioren die Zahl der Verkehrstoten weniger stark zurückgeht. Insgesamt ist diese Gruppe aber überproportional betroffen – die Steigerungen beim Anteil an allen Verkehrstoten liegen oberhalb der Zuwächse beim Bevölkerungsanteil. Dies macht einen genaueren Blick in die Statistik erforderlich. Dabei fällt auf, dass rund 40 Prozent der im Straßenverkehr tödlich verunglückten Frauen in der Altersgruppe 65+ sind. Bei den Männern liegt der Anteil bei lediglich rund 24 Prozent. Ursächlich hierfür sind aber eine höhere Verkehrsbeteiligung von Männern in jüngeren Jahren und ihre höhere Risikobereitschaft. Auffälligkeiten gibt es auch bei der Art der Verkehrsteilnahme. So gehören 47 Prozent der im Straßenverkehr getöteten Fußgänger zur Gruppe 65+. Genaue Zahlen zur Verteilung der Fußgänger auf die Altersgruppen und die dabei zurückgelegten Wegstrecken gibt es zwar nicht, doch die Senioren dürften bei Weitem nicht die Hälfte aller Fußgänger oder Fußgänger-Strecken repräsentieren.
Ein ebenso deutliches Bild zeigen die Zahlen der tödlich verunglückten Radfahrer. Hier entfallen etwa 45 Prozent auf die Altersgruppe 65+. Bei den Pkw-Insassen sind lediglich rund 24 Prozent aller Getöteten in dieser Altersklasse. Damit sticht die Gruppe der ungeschützten Verkehrsteilnehmer bei den Senioren besonders hervor. Ein wesentlicher Faktor ist dabei die höhere Vulnerabilität mit zunehmendem Alter – also das höhere Risiko, bei identischen Unfallbelastungen schwerere oder tödliche Verletzungen zu erleiden, als jüngere Menschen es haben. Auch sind Heilungsprozesse langwieriger und oftmals mit Komplikationen behaftet.
Für das Unfallrisiko von Senioren im Straßenverkehr in der EU ist Frankreich ein gutes Beispiel. 2019 kamen dort nach Angaben des Observatoire national de la sécurité routière (ONISR) 3.244 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben – darunter 849 Senioren, also etwa 26 Prozent. Gegenüber dem Jahr 2018 bedeutet dies eine leichte Zunahme um 0,8 Prozent. Insgesamt hat sich die Zahl der bei Verkehrsunfällen getöteten Senioren in Frankreich zwischen 2010 und 2019 um jährlich durchschnittlich 1,2 Prozent erhöht. Die Verkehrsunfälle von Senioren kennzeichnet grundsätzlich eine höhere Schwere als die in den anderen Altersgruppen. Für Personen unter 65 Jahren kommen auf 100 Verletzte vier Getötete, für Personen zwischen 65 und 74 Jahren acht Getötete und für Personen ab 75 Jahren sogar 16 Getötete. Insgesamt starben 54 Prozent der bei Verkehrsunfällen getöteten Senioren in Frankreich als Pkw-Insassen, 30 Prozent als Fußgänger und neun Prozent als Radfahrer. Drei Viertel der getöteten älteren Fußgänger wurden von einem Auto angefahren, dessen Fahrer unter 65 Jahre alt war.

GRUNDSÄTZLICH POSITIVE ENTWICKLUNG IN DEUTSCHLAND

In Deutschland zeigt sich für die Altersgruppe 65+ trotz ihres starken Anstiegs in der Gesamtbevölkerung eine positive Bilanz. Die Zahl der bei Verkehrsunfällen Getöteten ist ebenso rückläufig wie die Zahl der Schwerverletzten – bei Letzteren zwar nicht absolut, aber relativ. Bei den Leichtverletzten kam es dagegen absolut und relativ zu einem Anstieg. Von den 1.037 getöteten Senioren kamen 486 innerorts, 487 außerorts und 64 auf Autobahnen ums Leben. Dagegen gab es innerorts etwa doppelt so viele Schwerverletzte wie außerorts und auf Autobahnen zusammen. Innerorts entfallen die meisten getöteten oder schwer verletzten Senioren auf Fußgänger und Radfahrer, außerorts sind knapp 60 Prozent der tödlich verletzten Senioren Pkw-Insassen, bei den Schwerverletzten rund 65 Prozent (siehe nachfolgende Schaubilder).

STARKER ANSTIEG AUCH BEI DEN SCHWERVERLETZTEN

Zu wesentlichen Veränderungen kam es, wie schon angedeutet, bei der Art der Verkehrsbeteiligung, bei der Senioren verunglückten. So reduzierte sich die absolute Zahl der getöteten Fahrradfahrer (inklusive Pedelec) im Alter von mindestens 65 Jahren zwischen 2001 und 2019 nur um 4 von 265 auf 261, wobei die Zahlen bis ins Jahr 2010 rückläufig waren und mit 188 den Tiefststand erreichten. Seitdem nimmt die Zahl wieder zu. Bezogen auf 100.000 Einwohner dieser Altersklasse, entspricht das einer Veränderung von 1,9 auf 1,4. Bezogen auf die Zahl der tödlich verunglückten Senioren im jeweils betrachteten Jahr, stieg der Anteil der Radfahrer von 20,6 auf 25,2 Prozent. Bei den Fußgängern gab es einen Rückgang von 432 (2001) auf 235 (2019). Je 100.00 Einwohner der Altersgruppe reduzierte sich die Zahl der getöteten Fußgänger entsprechend von 3,1 auf 1,3. Der Anteil an allen getöteten Senioren reduzierte sich von 33,7 auf 22,7 Prozent.
Somit kommt rund die Hälfte der Verkehrstoten in der Altersgruppe 65+ mit dem Fahrrad oder zu Fuß ums Leben. 2019 waren 57,3 Prozent aller getöteten Radfahrer 65 Jahre oder älter, bei der Einzelbetrachtung der darin enthaltenen Fahrer von Pedelecs lag der Anteil dieser Altersgruppe sogar bei 72 Prozent. Bei den Fußgängern machte der Anteil mit 56,3 Prozent ebenfalls mehr als die Hälfte aus. Eine noch differenziertere Betrachtung macht deutlich, dass das Risiko ab dem 75. Lebensjahr nochmals deutlich ansteigt. Bei den Radfahrern kamen 41,3 Prozent allein aus dieser Altersgruppe, bei den Pedelecfahrern mit 50,8 Prozent sogar rund die Hälfte (nur Fahrrad ohne Pedelec 39,1 Prozent). Auch bei den Fußgängern entfallen 42,4 Prozent aller Getöteten auf die Altersklasse 75+. Gegenüber 2001 bedeutet dies einen Anstieg bei den Radfahrern um 20,2 Prozent, bei den Fußgängern um 8,7 Prozent. Die Analyse zeigt, dass sich das Unfallgeschehen in Deutschland mit dem in der EU weitestgehend vergleichen lässt. Eine Fokussierung bei Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Senioren auf die über 75-jährigen ungeschützten Verkehrsteilnehmer lässt ein hohes Potenzial zur Reduzierung der Zahl dieser Verkehrstoten insgesamt erwarten. Auch bei den Schwerverletzten gibt es einen starken Anstieg, was diesen Ansatz weiter untermauert. Entfielen 2001 noch 26,7 Prozent der schwer verletzten Fußgänger auf die Gruppe 65+, stieg dieser Anteil bis 2019 auf 33,7 Prozent, bei den Radfahrern um rund 10 Prozentpunkte auf 27,6 Prozent.

FEHLVERHALTEN ALS UNFALLURSACHE

Mit zunehmendem Alter ändert sich das Verhalten im Straßenverkehr. So lassen sich Unterschiede bei der Art des Fehlverhaltens erkennen, das zu Unfällen mit Personenschaden führt. Dies beginnt bei der Zuweisung der Hauptschuld an Verkehrsunfällen durch die aufnehmenden Polizeibeamten. Setzt man die Anzahl der an Unfällen mit Personenschaden beteiligten Pkw-Fahrer einer bestimmten Altersgruppe ins Verhältnis zur Zahl der von der jeweiligen Altersgruppe verursachten Unfälle, ergibt sich ein interessantes Bild. So stellen die jungen Fahranfänger und die Senioren besondere Risikogruppen dar (siehe Schaubild). Es werden durchweg Werte von über 50 Prozent erreicht, da es auch Unfälle mit nur einem Pkw ohne Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer gibt, sogenannte Alleinunfälle. Des Weiteren können auch mehrere Arten des Fehlverhaltens bei einem Unfall auftreten. Bis zum Alter von 65 Jahren ist der Anteil der Männer, deren Fehlverhalten für den Unfall relevant ist, deutlich höher als der der Frauen. Ab 65 Jahren gleicht sich dieses Verhältnis an.
Wesentliche Unterschiede gibt es bei der Art der Fehler von Pkw-Fahrern, die zu Unfällen mit Personenschaden führen. Die nachfolgenden Schaubilder zeigen eine Auswahl der wesentlichen von der Polizei bei der Unfallaufnahme zugeordneten Unfallursachen beziehungsweise Fehlverhalten von Pkw-Fahrern. Unterschiede ergeben sich bei Betrachtung der Ortslagen. Außerorts und auf Autobahnen ist mit steigendem Alter speziell bei den komplexen Verkehrssituationen eine deutliche Zunahme zu verzeichnen, insbesondere bei Vorfahrts- und Vorrangverletzungen. Hinzu kommt, dass Beeinträchtigungen der Verkehrstüchtigkeit insbesondere bei komplexeren Verkehrssituationen zum Tragen kommen. Diese stechen auch innerorts mit zunehmendem Alter hervor. Ganz klar zu erkennen ist außerdem der Anstieg beim Fehlverhalten gegenüber Radfahrern und Fußgängern, die außerorts insgesamt nur eine äußerst untergeordnete Rolle spielen.
Maßnahmen für eine sichere Mobilität im Alter mit dem Pkw müssen daher primär bei den komplexen Verkehrssituationen ansetzen. Neben einer Optimierung der Infrastruktur helfen hier Assistenzsysteme im Fahrzeug. Letztendlich stehen aber viele Unfälle mit Vorfahrt- oder Vorrangverletzungen, beim Abbiegen oder mit Beteiligung von Radfahrern oder Fußgängern bei Senioren im Zusammenhang mit körperlichen oder gesundheitlichen Einschränkungen. Ausführlich wird auf diese Problematik im Kapitel Mensch eingegangen.

FAHRZEUGALTER, FAHRERALTER UND UNFALLRISIKO

Im Jahr 2019 waren in Deutschland über 355.000 Pkw in einen polizeilich registrierten Verkehrsunfall mit Personenschaden verwickelt. Dies entspricht in etwa 0,75 Prozent der zugelassenen Pkw. Insgesamt unterliegt der Anteil mit zunehmendem Fahrzeugalter nur sehr geringen Schwankungen. Auf den ersten Blick spielt damit das zunehmende Pkw-Alter keine Rolle beim Risiko, in einen Unfall mit Personenschaden verwickelt zu werden.

KOMPLEXE VERKEHRSSITUATIONEN GEHÖREN IN DEN FOKUS

Allerdings wird die Fahrleistung bei dieser Betrachtung nicht berücksichtigt. Da die durchschnittliche Jahresfahrleistung mit zunehmendem Fahrzeugalter deutlich abnimmt, spricht dies für ein zunehmendes Unfallrisiko mit zunehmendem Fahrzeugalter. Dieses Bild verstärkt sich, wenn die Hauptschuld an Unfällen mit Personenschaden und das Fahrzeugalter gemeinsam betrachtet werden. So wurden 49,8 Prozent der Unfälle, an denen ein Pkw im Alter von unter einem Jahr beteiligt war, mit einem solchen verursacht. Dieser von der Fahrleistung entkoppelte Wert steigt mit zunehmendem Fahrzeugalter an und erreicht bei einem Fahrzeugalter von zwölf oder mehr Jahren einen Anteil von 59,4 Prozent. Bei zusätzlicher Betrachtung des Fahreralters zeigt sich auch hier der größere Anteil der von Senioren verschuldeten Unfälle – er steigt bei Fahrzeugen, die mindestens zwölf Jahre alt sind, auf rund 70 Prozent (siehe Schaubild).
Die Analyse macht deutlich, dass die Weiterentwicklungen in der Fahrzeugtechnik durchaus das Potenzial haben, die Zahl an Unfällen insgesamt und auch das Risiko von Unfällen mit Personenschäden zu senken. Diese Verbesserungen kommen dabei allen Altersgruppen zugute. Das zunehmende Durchschnittsalter von Pkw verlangsamt jedoch eine Abnahme der Zahl im Straßenverkehr Verunglückter. Das Durchschnittsalter der in Deutschland zugelassenen Pkw ist seit 2001 von damals 7,1 Jahren konstant auf 9,8 Jahre zu Jahresbeginn 2021 angestiegen.
Das vergleichsweise schlechte Abschneiden der Senioren bei der Verursachung von Verkehrsunfällen mit Personenschaden als Pkw-Fahrer ist dem Zusammenwirken vieler Einflussfaktoren geschuldet. Neben den im Kapitel Mensch ausführlich dargestellten zunehmenden körperlichen Einschränkungen und der im Alter zunehmenden Vulnerabilität sind es auch die abnehmende Jahresfahrleistung und die damit einhergehende nachlassende regelmäßige Übung. Seniorengerechte Pkw mit modernen Assistenzsystemen, die den Fahrer unterstützen und nicht überfordern, können hier das Unfallrisiko senken. Zudem senkt das bei modernen Pkw bessere Insassenschutzniveau das Risiko, bei einem Unfall verletzt zu werden.
Wichtig: Grundsätzlich lässt der Bestand an Kraftfahrzeugen keine Aussagen dahingehend zu, welche Fahrleistung mit diesen Fahrzeugen erbracht wird. Auch darf aus dem Alter der Personen, auf die die Fahrzeuge zugelassen sind, nicht der Rückschluss gezogen werden, dass diese Personen auch die ausschließlichen Fahrer sind. Die Beteiligung am Unfallgeschehen wird dagegen von der Fahrleistung auf den einzelnen Straßenkategorien (innerorts, außerorts, auf Autobahnen) sowie von altersspezifischen Faktoren bei den Fahrern bestimmt. Das Verkehrsgeschehen beinhaltet Teilnehmende, die durch ihr Verhalten oder den Zustand ihres Fahrzeugs einen Unfall verursachen. Die anderen am Verkehr Teilnehmenden werden mehr oder weniger zufällig in den Unfall verwickelt. Um für Personenkraftwagen (Pkw) den Zusammenhang zwischen Fahrzeugalter, Fahreralter und Verkehrsbeteiligung herauszuarbeiten, wurde ein neuer, nachfolgend dargestellter Ansatz entwickelt.
Als Basis dienen dabei alle Unfälle mit Personenschaden mit mindestens einem beteiligten Pkw. Zur Minimierung des Einflusses oben genannter verhaltensbedingter Parameter und zulassungsbedingter Faktoren werden nur die Pkw betrachtet, bei denen die Hauptschuld am Unfall beim Gegner lag. Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Form der Gegner am Straßenverkehr teilgenommen hat. Diese Gruppe bildet das Verkehrsgeschehen von Pkw sehr gut ab. Differenziert man diese Gruppe nach Fahreralter und Fahrzeugalter, werden bisherige Erkenntnisse bestätigt (siehe Schaubild).
Die Grafik zeigt, dass der Anteil der Pkw mit einem Alter von zehn oder mehr Jahren in allen Fahrer- Altersgruppen vom Vergleichszeitraum 2005 bis 2009 bis zum Zeitraum 2015 bis 2019 zugenommen hat. Bei den Senioren fiel dieser Zuwachs mit 8,6 Prozentpunkten am stärksten aus. In den Altersgruppen der 18- bis 34-jährigen Fahrer hat gleichzeitig auch der Anteil der jungen Pkw im Alter von bis zu drei Jahren zugenommen, bei den 35- bis 65-Jährigen blieb dieser Anteil nahezu konstant. Bei den Fahrern im Alter von 65 und mehr Jahren ging dieser Anteil dagegen zurück.
Das Unfallgeschehen bestätigt damit die aus anderen Statistiken hergeleiteten Erkenntnisse: Der Anteil älterer Menschen, die ältere Pkw fahren, nimmt überproportional zu. Mit zunehmendem Lebensalter werden Fahrzeuge seltener ersetzt, weil die Nutzung häufiger unter dem Aspekt „Es fährt doch noch“ in Verbindung mit geringer jährlicher Kilometerleistung erfolgt. Entsprechend langsam halten aber auch Fahrerassistenzsysteme Einzug in den Fahrzeugbestand der Senioren.